Putin frohlockt So explosiv ist Kiews Artillerie-Granaten-Problem

Philipp Dahm

29.2.2024

Selenskyj erwartet baldige russische Offensive

Selenskyj erwartet baldige russische Offensive

Russland bereitet nach Angaben der Ukraine eine neue Offensive für Ende Mai oder den Sommer vor. Sein Land werde sich darauf aber einstellen, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntag während einer zweistündigen Pressekonferenz in Kiew.

26.02.2024

Nordkorea soll Russland deutlich mehr Munition geliefert haben als bisher bekannt. Die gute Nachricht für Kiew: Zuverlässig soll sie nicht sein. Doch auch in Europa tut sich was in Sachen Nachschub für die Artillerie.

Philipp Dahm

29.2.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Nachschubproblem: Nachdem die Ukraine und Russland im Sommer noch 7000 und 5000 Granaten abgefeuert haben, schiesst ihre Artillerie heute 2000 und 10'000 mal pro Tag.
  • Nordkorea hat Russland nicht nur eine Million, sondern angeblich bis zu drei Millionen Artillerie-Granaten geschickt.
  • Der ukrainische Geheimdienst schätzt allerdings, dass die Hälfte davon nicht funktioniert, weil die 40 Jahre oder älter ist.
  • Tschechien will 800'000 Granaten für Kiew aufgestöbert haben und stellt nun die Finanzierung des geplanten Kaufes auf.

Es ist ein Problem, dass für das ukrainische Militär das Zeug zum «Desaster« hat, warnt «Time»: «Der Mangel an Munition ist an der Front zu spüren und hat zum kürzlichen Rückzug aus der Stadt Awdijwka beigetragen», schreibt das New Yorker Magazin.

Die Zahlen sprechen für sich: Während Kiew im Sommer 7000 und Moskau nur 5000 Granaten zur Verfügung standen, sollen es inzwischen 2000 Schuss auf ukrainischer Seite, während die russische Artillerie pro Tag 10'000 Mal feuert. Dadurch kann der Kreml seine Übermacht bei der Infanterie heute viel besser ausspielen.

Eine Freiwilligen-Einheit der Artillerie am 1. Februar beim Training im russisch-besetzten Teil von Donezk.
Eine Freiwilligen-Einheit der Artillerie am 1. Februar beim Training im russisch-besetzten Teil von Donezk.
IMAGO/SNA

Und die Kluft scheint sich zu vergrössern – dank des Nachschubs aus Asien: Im November nahm noch der südkoreanische Geheimdienst an, Pjöngjang habe Moskau eine Million Granaten für die 152-Millimeter-Artillerie versorgt. Nun teilt Verteidigungsminister Shin Won-sik mit, Nordkorea habe Russland mittlerweile 6700 Schiffscontainer mit Munition geschickt.

Potenziell seien das bis zu drei Millionen Artillerie-Granaten, heisst es weiter. Möglich sei das, weil diese Produktion in Nordkorea weiterhin voll ausgelastet sei, während andere Rüstungsbetriebe wegen Strom-Mangels nur 30 Prozent ihrer Kapazitäten auslasteten. Im Gegenzug erhalte Kim Jong Un offenbar Nahrungsmittel, was deren latenten Mangel in seinem Land behoben haben soll.

Hälfte der nordkoreanischen Munition unbrauchbar?

Satellitenbilder zeigen offenbar, dass es einen stetigen Fluss von Nachschub an Munition zwischen den beiden Ländern gibt. Dazu gehören auch 122-Millimeter-Granaten, 122-Millimeter-Raketen oder Granaten für 120-Millimeter-Mörser. Ein Lichtblick für Kiew: Die Munition soll nicht gerade zuverlässig sein.

Wladimir Putin und Kim Jon Un besuchen am 13. September 2023 den Weltraumbahnhof Kosmodrom Wostotschny nahe Ziolkowski.
Wladimir Putin und Kim Jon Un besuchen am 13. September 2023 den Weltraumbahnhof Kosmodrom Wostotschny nahe Ziolkowski.
AP

«Russland hat bereits 1,5 Millionen Schuss Muntion geliefert», wird Vadym Skibitsky, der stellvertretende Leiter des ukrainischen Geheimdienstes, zitiert. «[Sie] ist allerdings aus den 70ern und 80ern. Vermutlich funktioniert die Hälfte davon nicht. Der Rest bedarf vor dem Einsatz einer Restauration oder wenigstens Inspektion.»

Die ukrainischen Streitkräfte sitzen dagegen auf dem Trockenen. Einerseits liegt das an der Blockade amerikanischer Hilfsleistungen und andererseits an der Unfähigkeit der Europäer: Die EU hat Kiew nur 30 Prozent der versprochenen Munition geliefert, weil es unter anderem schlicht an Produktionskapazitäten fehlt.

Tschechen stöbern 800'000 Granaten für Kiew auf

Der tschechische Präsident will jedoch einen Ausweg gefunden haben: Mitte Februar eröffnet Petr Pavel den EU-Nachbarn, er wisse, wie 800'000 Artilleriegranaten für die Ukraine beschafft werden könnten. Wo diese gekauft werden sollen, verrät der frühere Nato-General dabei aber natürlich nicht.

Eine ukrainische Panzerhaubitze vom Typ 2S1 Gwosdika am 16. Februar im Einsatz im Oblast Donezk.
Eine ukrainische Panzerhaubitze vom Typ 2S1 Gwosdika am 16. Februar im Einsatz im Oblast Donezk.
AP

«Wir haben zu diesem Zeitpunkt eine halbe Million Schuss des Kalibers 155 Millimeter und weitere 300'000 Schuss des 122-Millimeter-Kalibers identifiziert, die innert Wochen geliefert werden können, wenn wir dafür schnell eine Finanzierung finden», sagt Pavel am 17. Februar an der Münchner Sicherheitskonferenz. 

Die Kosten sollen bei gut 1,3 Milliarden Franken liegen, doch sie könnten auch noch steigen. Die tschechische Regierung arbeitet angeblich schon seit einem halben Jahr an dem Plan: 15 Staaten hätten bereits signalisiert, das Projekt unterstützen zu wollen.

Frankreich steht dem Plan offenbar positiv gegenüber, die Niederlande wollen 100 Millionen Euro beitragen und Belgien nimmt sogar 200 Millionen Euro in die Hand. Angeblich machen auch Dänemark, Grossbritannien und Schweden mit. Nicht zuletzt Kanada will 22 Millionen Dollar für das Gelingen des europäischen Vorhabens spenden.

Wer ist die ukrainische Defence Industries Alliance?

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38 Rüstungsunternehmen aus 19 Ländern haben sich im Herbst 2023 zu einer Allianz zusammengetan, um in der Ukraine Waffen und Munition herzustellen. Wer ist dabei und was soll hergestellt werden? Hier erfährst du es.

06.10.2023