Streit um Rundfunkgesetz Polens Parlament will nun doch abstimmen

dpa

11.8.2021 - 20:38

Polens nationalkonservatives Regierungsbündnis ist geplatzt. Trotzdem will die PiS ein umstrittenes Rundfunkgesetz durchs Parlament bringen. Doch die Aktion geht schief.

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Überraschende Kehrtwende im Tauziehen um die Abstimmung über ein umstrittenes Rundfunkgesetz in Polen: Das Parlament in Warschau hat seine Sitzung wieder aufgenommen.

Zuvor hatte die Opposition am Mittwochabend mit 229 zu 227 Stimmen eine Verschiebung der Abstimmung bewirkt. Doch Parlamentspräsidentin Elzbieta Witek von der nationalkonservativen Regierungspartei PiS liess das Votum wiederholen – weil sie kein Datum für die Verschiebung der Sitzung genannt hatte. Diesmal sprachen sich 229 Parlamentarier dagegen aus, die Plenarsitzung zu vertagen.

Regierungsbündnis der PiS zerbrochen

Voraussichtlich wird sich das Parlament somit doch noch am späten Mittwochabend mit der Novelle des Rundfunkgesetzes befassen. Im Streit um die Gesetzesänderung war zuvor das Regierungsbündnis der PiS zerbrochen. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte seinen Stellvertreter Jaroslaw Gowin entlassen, dessen Gruppierung Porozumenie (Verständigung) beendete daraufhin die Zusammenarbeit mit der PiS.

Man wolle fortan als eigenständige Parlamentariergruppe agieren, teilte Sprecher Jan Strzezek auf Twitter mit. Fünf stellvertretende Minister aus Gowins Lager stellten ihre Ämter zur Verfügung. Porozumenie bildete mit der PiS und einer weiteren Kleinpartei bislang das Listenbündnis «Vereinte Rechte» und stellte 12 von 232 Abgeordneten des Regierungslagers.

Als Begründung für die Entlassung des 59-jährigen Gowin hiess es offiziell, seine Gruppierung habe nicht im ausreichenden Tempo an Reformen der PiS mitgearbeitet. Gowin hatte kritisiert, dass für ein geplantes Konjunkturprogramm massive Steuererhöhungen vorgesehen sind.

Verstoss gegen den Grundsatz der Medienfreiheit

Eigentlicher Hintergrund ist aber der Streit um die Novelle des Rundfunkgesetzes. Die von der PiS im Juli eingebrachten Pläne sehen vor, dass Rundfunklizenzen nur noch dann an Ausländer vergeben werden können, wenn diese «ihre Zentrale oder ihren Wohnsitz im Bereich des Europäischen Wirtschaftsraums haben». Zusätzlich gilt die Bedingung, dass der Lizenznehmer nicht von jemandem abhängig sein darf, der Zentrale oder Wohnsitz ausserhalb hat.

Nach Ansicht von Kritikern zielt das Gesetz auf den Privatsender TVN, der über eine in den Niederlanden registrierte Holding Teil des US-Konzerns Discovery ist. Besonders der Nachrichtensender TVN24 vertritt eine PiS-kritische Linie. Gowin hatte die Novelle kritisiert.

Trotz der Regierungskrise wollte die PiS aber an der Abstimmung über das Rundfunkgesetz festhalten. Ihr Sprecher Radoslaw Fogiel zeigte sich am Vormittag noch optimistisch, dass man für die Novelle die nötigen Stimmen zusammenbekommen werde. «Wenn es um die Mehrheit im Sejm geht, bin ich beruhigt.»

Tumultähnlichen Szenen im Parlament

Doch es kam anders. Als der Chef der Bauernpartei, Wladyslaw Kosinak-Kamysz, im Parlament eine Verschiebung der Sitzung auf September vorschlug, stimmte eine Mehrheit dafür – darunter auch mehrere Abgeordnete von Gowins Gruppierung. Im Saal kam es zu tumultähnlichen Szenen, PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und seine Mitstreiter sassen sichtlich düpiert in ihren Sitzen.

Die Opposition dagegen triumphierte, dass es gelungen war, der PiS eine Schlappe beizubringen. «Die parlamentarische Mehrheit, die von einem Sumpf aus Korruption und Erpressung zusammengehalten wurde, zerfällt vor unseren Augen. Vielleicht hält sie noch eine Weile, aber sie ist nicht mehr in der Lage zu regieren», schrieb der kommissarische Chef der grössten Oppositionspartei Bürgerplattform, Donald Tusk, auf Twitter. Nun aber die Wiederaufnahme der Debatte.