Gewaltwelle Südafrika startet grossen Militäreinsatz gegen Plünderer

dpa

15.7.2021 - 17:04

Zwei Personen räumen in Vosloorus (Südafrika) nach Ausschreitungen vor einem zerstörten Einkaufszentrum den Gehweg auf.
Zwei Personen räumen in Vosloorus (Südafrika) nach Ausschreitungen vor einem zerstörten Einkaufszentrum den Gehweg auf.
dpa

Südafrikas Rechtsstaat wird durch tagelange Proteste und Plünderungen erschüttert. Ganze Industriegebiete gingen in Flammen auf – nun setzt die Verzweiflung durch akute Versorgungsengpässe ein.

15.7.2021 - 17:04

Mit einem der grössten Militäreinsätze seit Bestehen seiner jungen Demokratie will Südafrika die seit Tagen andauernde Gewalt in Teilen des Landes eindämmen.

Nach einer Woche der Plünderungen und Brandstiftungen sollen nun zusätzlich zu den bereits mobilisierten 5000 Soldaten weitere 25'000 Militärangehörige zum Einsatz kommen. Alle verfügbaren Reservisten erhielten einen Marschbefehl, hiess es in einer Erklärung der Armee. Sie sollten sich am Donnerstag mit all ihrer Ausrüstung bei ihren Einheiten melden. Verteidigungsministerin Nosiviwe Mapisa-Nqakula hatte das Parlament am Mittwochabend über den geplanten Einsatz informiert, sagte sie dem TV-Sender eNCA. Präsident Cyril Ramaphosa muss ihn noch billigen.

Obwohl es noch vereinzelte Hinweise auf Plünderungen gab, setzten am Donnerstag an vielen Orten Aufräumarbeiten ein. Erste Schätzungen gehen von einem Schaden in dreistelliger Millionenhöhe und rund 20.000 vernichteten Jobs aus. Offiziell sprechen die Behörden weiter von 72 Toten und vielen Verletzten. Auf TV-Bildern eines geplünderten Baumarkts in Pietermaritzburg war die Bergung mehrerer Leichen zu sehen – Augenzeugen sprachen von mindestens sieben weiteren Toten.

Dutzende Tote, hohe Schäden und vernichtete Jobs

Die von Präsident Ramaphosa angekündigten Versorgungsengpässe machten sich in dem bei Johannesburg gelegenen Township Alexandra, aber auch in der Hafenstadt Durban bemerkbar. Dort gab es kilometerlange Schlangen vor noch offenen Tankstellen. Nach Prügeleien um das knappe Benzin sicherten Soldaten den Ort. Auf Luftbildern waren zudem lange Warteschlangen von mehr als hundert Metern vor den noch offenen Lebensmittelgeschäften zu sehen.



Polizeiminister Bheki Cele hatte am Mittwochabend in einem Vorort von Durban den Fund Zehntausender Schuss scharfer Munition bekanntgegeben. Dem TV-Sender Newzroom Africa sagte er: «Einige Leute bereiten sich auf einen Krieg vor.» Es sei falsch, dass Menschen nur aus Hunger plünderten – einige bewaffneten sich auch. «Eine gefährliche Situation», sagte er ohne weitere Erklärung. In Durbans Vorort Phoenix wurden nach offiziellen Angaben 15 Menschen bei Spannungen mit der indischstämmigen Bevölkerung getötet – Cele sprach dort von «hässlichen Szenen». Durban – eine Partnerstadt von Bremen – hat seit Kolonialtagen eine starke indischstämmige Bevölkerung.

Angriffe auf Minderheiten

Cele kündigte in den betroffenen Gebieten auch Hausdurchsuchungen an, die in der Gauteng-Provinz rund um Johannesburg begonnen hätten. «In vielen Haushalten, in vielen Häusern in Südafrika wird es ziemlich harte Zeiten geben, weil wir rein kommen und Quittungen verlangen werden», sagte er am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Phoenix.

Die Provinz KwaZulu-Natal an der Ostküste sowie das Ballungsgebiet um die Grossstädte Johannesburg und Pretoria (Gauteng-Provinz) sind von der Gewalt besonders schwer betroffen. Die Regierung mobilisierte das Militär, weil die Polizei den Plünderern zahlenmässig unterlegen war. Mittlerweile formieren sich Nachbarschaftsgruppen und zivile Bürgerwehren. Auch die einflussreichen Taxi-Gesellschaften versuchen nun, Übergriffe auf wichtige Infrastruktur zu verhindern. Sie hatten sich auch gegen Kliniken, Drogerien und sogar Schulen gerichtet.

Begonnen hatten die Krawalle mit Protesten gegen die Inhaftierung des aus KwaZulu-Natal stammenden Ex-Präsidenten Jacob Zuma. Der musste vor einer Woche eine 15 Monate lange Haftstrafe wegen Missachtung der Justiz antreten. Die Proteste entwickelten sich schnell zu grossflächigen Ausschreitungen. Das Militär soll nun vor allem in den betroffenen Provinzen eingesetzt werden. Mit 30.000 mobilisierten Soldaten würde nach Ansicht des Militärexperten Darren Olivier die gesamte Streitmacht des Kap-Staates aufgeboten. Unklar ist daher, ob sich Südafrika noch wie geplant an einer Hilfstruppe des regionalen Staatenbündnisses SADC für die Terror-Bekämpfung im Nachbarstaat Mosambik beteiligen kann.

dpa