Schweizer Krisendiplomatin«Man muss mit Kriegsverbrechern verhandeln»
SDA/uri
12.10.2022 - 08:26
Putin befiehlt Raketenangriffe auf Ukraine
Russland hat mehr als 80 Raketen auf Kiew und andere Städte in der Ukraine gefeuert. Die Angriffe am Montagmorgen töteten mindestens elf Menschen landesweit, mindestens 87 wurden verletzt.
12.10.2022
Die Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini verhandelte über Jahrzehnte in Krisengebieten. Sie ist überzeugt: Auch im Krieg in der Ukraine gelte, dass man mit den Leuten verhandeln müsse, «die das Sagen haben».
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12.10.2022, 08:26
12.10.2022, 10:33
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Bei bewaffneten Konflikten wie dem Krieg in der Ukraine muss nach Ansicht der ehemaligen Schweizer Botschaftsrätin in Moskau, Heidi Tagliavini, auch mit Kriegsverbrechern verhandelt werden. Man habe keine andere Wahl, sagte Tagliavini in einem Tamedia-Interview.
Man müsse mit den Leuten verhandeln, die das Sagen hätten. Und das sei unabhängig davon, ob die Verhandlungspartner einem sympathisch seien. Sie habe während ihrer 20 Jahre in Konfliktgebieten mehrfach mit Leuten verhandelt, die Blut an den Händen gehabt hätten.
Putin als sehr kontrolliert erlebt
Diese Leute hätten vordergründig keine Moral. Doch habe man im Laufe der Verhandlungen an ihr Gewissen appellieren können. Nicht sofort, aber im geeigneten Moment. «Und dann hat man wenigstens einen Fuss in der Tür», sagte die ehemalige OSZE-Mitarbeiterin in Konfliktgebieten wie Tschetschenien, Georgien und der Ukraine.
Tagliavini hat den russischen Präsidenten, Wladimir Putin, mehrmals getroffen. Auf die Frage, ob er ein böser Mensch sei, sagte Tagliavini, alle Personen müssten sich an ihren Taten messen lassen. Sie habe Putin als sehr kontrolliert erlebt.
Verständnis für Cassis
Putin könne sein Gegenüber sehr gut einschätzen. Und es sei zu spüren, dass er seine wahren Interessen gut verstecken könne. Sie sei jeweils mit einem Lächeln auf ihn zugekommen. Das sei eine diplomatische Gepflogenheit. Sie habe mit Putin nie verhandelt, aber mit ihm diskutiert.
Tagliavini verteidigte Aussenminister Ignazio Cassis, der beim Treffen mit seinem russischen Amtskollegen, Sergej Lawrow, in New York auf einem Bild gelächelt hatte. Die beiden hätten sich schon öfter getroffen und pflegten eine Arbeitsbekanntschaft. Es sei weltfremd zu verlangen, dass Cassis griesgrämig auf Lawrow hätte zugehen müssen. Dass es ein Foto darüber geben, sei ungeschickt, lasse sich kaum vermeiden – zumal am Uno-Hauptsitz.