GebärtourismusTausende Russinnen bringen ihre Babys in Argentinien zur Welt
tafi
13.2.2023
Der russische Pass ist seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine nicht mehr viel wert. Mit einem Trick versuchen Russinnen nun, die Einreisesperre in vielen Staaten zu umgehen: Gebärtourismus nach Argentinien.
tafi
13.02.2023, 19:54
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Offenbar bringen mehr und mehr Frauen aus Russland ihre Kinder am Río de la Plata zur Welt und beantragen die argentinische Staatsbürgerschaft. Der Grund: Ein Pass des südamerikanischen Landes öffnet viele Türen. Die Behörden vermuten hinter den organisierten Schwangerschaftsreisen ein Millionengeschäft.
21'757 Menschen mit russischer Staatsbürgerschaft sind 2022 nach Argentinien eingereist. Rund 10'500 davon waren schwangere Frauen, wie Behördenleiterin Florencia Carignano vom Einwanderungsamt der Nachrichtenagentur AP bestätigte. Und die Zahlen würden steigen: In den vergangenen drei Monaten seien es schon 5819 Schwangere gewesen. Viele hätten kurz vor der Niederkunft gestanden.
Hochschwanger fliegt man kaum in den Urlaub
«Erst gestern Abend kamen […] 33 russische Staatsbürgerinnen an, die etwa in der 32., 33., 34. Schwangerschaftswoche waren», sagte Carignano. «Irgendwas ist komisch, wenn Schwangere in der 34. Woche kommen. Deshalb vermuten wir, dass sie nicht nur Ferien machen wollen.»
Hintergrund des mutmasslichen Gebärtourismus dürften die strengeren Einreiseregeln für russische Staatsbürger in viele Staaten sein. So hat etwa die Europäische Union als Folge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine das Visaerleichterungsabkommen mit Russland im September vergangenen Jahres vorerst ausgesetzt.
In Argentinien geborene Kinder erhalten automatisch die argentinische Staatsbürgerschaft. Ihre Eltern können dann ebenfalls recht einfach eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung und später auch die Staatsangehörigkeit beantragen. Für Paare aus Russland ist das derzeit ziemlich attraktiv: Mit einem argentinischen Pass können sie ohne Visum in mehr als 160 Länder reisen.
Millionengeschäft mit den Pass-Babys
Doch die Behörden in Argentinien sind wegen der zunehmenden Zahl von Pass-Babys seit Längerem stutzig. Erst recht, nachdem Ende Januar in Slowenien mutmassliche russische Spione mit argentinischen Pässen festgenommen worden sind. Nun wurden Ermittlungen eingeleitet, um zu prüfen, ob ein kriminelles Netzwerk hinter dem Gebärtourismus in dem südamerikanischen Land stecke, berichtete die Zeitung «La Nación» am Wochenende unter Berufung auf Sicherheitskreise.
Bei Hausdurchsuchungen im eleganten Stadtteil Puerto Madero in Buenos Aires wurden demnach Computer, Mobiltelefone, Einreisedokumente und Bargeld sichergestellt. «Es gibt Ermittlungen, wer hinter diesen Banden steckt, die Männer und Frauen hierherbringen. Das ist ein Millionen–Geschäft», sagte Florencia Carignano.
Zwar sei es Ausländerinnen nicht untersagt, für die Geburt ihres Kindes nach Argentinien zu kommen, erklärte sie. Allerdings bräuchten sie dafür ein spezielles Visum. «Einige kommen, bringen hier ihre Kinder zur Welt, setzen einen Bevollmächtigten für die weiteren Behördengänge ein und reisen wieder ab», sagte Carignano in einem Interview des Fernsehsenders TN.
Agentur kümmert sich um alles
Organisiert werden Reise, Entbindung und Behördengänge von der Agentur RuArgentina. Dafür kassiert das Unternehmen zwischen 5000 und 15'000 US-Dollar, räumte der Agentur–Chef Kirill Makoveev in einem Interview mit der Zeitung «La Nación» freimütig ein. «Wir können uns um alles kümmern. Den Unterschied machen die Spezialisten, die wir engagieren – davon hängt der Tarif ab.»
In den Spitälern in Buenos Aires hat sich das Personal bereits auf die Schwangeren aus Russland eingestellt. «Ich kenne schon ein paar Worte und Sätze auf Russisch, um sie zu verstehen. Wenn sie zum Geburtstermin in die Klinik kommen, bringen sie eine Übersetzerin mit – es ist immer dieselbe», sagte eine Verwaltungsangestellte des Hospitals Rivadavia der Zeitung «La Nación».
Die argentinischen Behörden sorgen sich unterdessen um das Ansehen des argentinischen Passes, mit dem man ohne Visum in zahlreiche Länder einreisen kann und ein Visum für die USA für zehn Jahre beantragen kann. «Wenn wir nicht kontrollieren, wem wir einen Pass geben, wird das Vertrauen in den argentinischen Pass sinken», warnte Florencia Carignano. «Wenn so etwas wie mit den Spioninnen in Slowenien passiert, haben die Argentinier den Schaden.»