Tod von Präsident und AussenministerTrauer und Ermittlungen im Iran
SDA
21.5.2024 - 04:24
Nach Tod des iranischen Präsidenten: Staatstrauer, Schweigeminute bei internationaler Atomkonferenz in Wien
STORY: Nach der Nachricht vom Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi hat der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO, Rafael Grossi, am Montag eine Schweigeminute eingelegt. In seiner Rede zu Beginn einer internationalen Konferenz über nukleare Sicherheit in Wien sprach Grossi dem Iran sein Beileid aus. Rafael Grossi / Generaldirektor IAEO «Wir sind uns alle der tragischen Nachrichten vom Wochenende bewusst, und ich möchte meinen lieben Freund, den stellvertretenden Aussenminister der Islamischen Republik Iran, einladen, mit mir gemeinsam eine Schweigeminute zu Ehren des verstorbenen Präsidenten der Islamischen Republik, des Aussenministers und anderer Mitglieder ihrer Delegation einzulegen, die gestern auf tragische Weise bei einem Unfall ums Leben gekommen sind. Bitte schliessen Sie sich mir an und legen Sie eine Schweigeminute ein.» Der iranische Präsident Ebrahim Raisi, ein Hardliner, der als potenzieller Nachfolger des Obersten Führers Ayatollah Ali Khamenei galt, kam bei einem Hubschrauberabsturz in bergigem Gelände nahe der Grenze zu Aserbaidschan ums Leben, wie Beamte und staatliche Medien am Montag mitteilten. Zu den weiteren Opfern gehörten auch der iranische Aussenminister und sechs weitere Passagiere und Besatzungsmitglieder. Nach dem Tod des iranischen Präsidenten übernimmt der Erste Vizepräsident Mohammed Mochber übergangsweise die Regierungsgeschäfte. Das politische und geistliche Oberhaupt der Islamischen Republik, Ajatollah Ali Chamenei, ernannte den 68-Jährigen am Montag gemäss der Verfassung zum Interimspräsidenten. Dieser solle nun binnen 50 Tagen eine neue Präsidentenwahl abhalten, wie es ebenfalls in der Verfassung vorgesehen ist. Zudem rief Chamenei eine fünftägige Staatstrauer aus. Die Internationale Atomenergie-Organisation sieht sich im Iran mit einer Reihe von Schwierigkeiten konfrontiert. Dazu gehört die Tatsache, dass Teheran nur einen Bruchteil dessen umgesetzt hat, wozu es sich laut Grossi in einer «Gemeinsamen Erklärung» über die künftige Zusammenarbeit im März 2023 verpflichtet hatte, und dass die wenigen konkreten Schritte im Juni letzten Jahres eingestellt wurden Der Iran reichert Uran auf einen Reinheitsgrad von bis zu 60 Prozent an, was nahe an den rund 90 Prozent der Waffenqualität liegt. Würde dieses Material weiter angereichert, würde es nach einem offiziellen IAEO-Massstab für zwei Atomwaffen ausreichen. Der Iran bestreitet, Atomwaffen anzustreben, aber kein anderer Staat hat Uran in diesem Umfang angereichert, ohne Atomwaffen zu produzieren.
21.05.2024
Zwei Tage nach dem tödlichen Helikopterabsturz sind im Iran Trauerfeierlichkeiten angesetzt. Spekuliert wird unterdessen nicht nur über die Absturzursache, sondern auch über die Zukunft des Landes.
Keystone-SDA
21.05.2024, 04:24
21.05.2024, 04:32
SDA
Im Iran sind nach dem Tod von Präsident Ebrahim Raisi und Aussenminister Hussein Amirabdollahian Trauerfeierlichkeiten angesetzt. Am Dienstagmorgen soll es zunächst eine Zeremonie im Nordwesten des Landes in der Provinzhauptstadt Tabris geben. Anschliessend ist iranischen Medien zufolge eine Feierlichkeit in der Pilgerstadt Ghom geplant. Das Datum für die Beerdigung der beiden Staatsmänner ist bislang nicht bekannt. Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei ordnete eine fünftägige Staatstrauer an.
Raisi und Amirabdollahian waren am Sonntag bei einem Helikopterabsturz ums Leben gekommen. Gesicherte Informationen zur Ursache des Absturzes, bei dem auch alle sieben weiteren Insassen des Helikopters starben, gibt es bislang nicht. Der Armeechef des Landes, General Mohammed Bagheri, ordnete eine gründliche Untersuchung an und stellte laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Isna im Verteidigungsministerium ein technisch hochversiertes Team zusammen.
Seit dem Absturz wird im Iran darüber spekuliert, ob schlechtes Wetter, ein technischer Defekt oder gar ein Sabotageakt des Erzfeindes Israel für den Vorfall verantwortlich gewesen sein könnte. Zum fraglichen Zeitpunkt herrschte dichter Nebel, der Präsidenten-Helikopter vom Typ Bell 212 war über 40 Jahre alt. Zwei weitere Helikopter der iranischen Delegation, die sich auf dem Rückweg von einem Termin in Aserbaidschan befand, erreichten sicher ihr Ziel.
Bericht: Neuwahlen könnten bereits am 28. Juni stattfinden
Irans Luftwaffe gilt als stark veraltet, ihre Modernisierung kommt angesichts scharfer internationaler Sanktionen kaum voran, neues Gerät und Ersatzteile sind schwer zu beschaffen. Viele der Flugzeuge und Helikopter stammen noch aus der Zeit vor der islamischen Revolution von 1979, als das Land enge Beziehungen zu den USA unterhielt.
Die Amtsgeschäfte im Iran übernahm unterdessen Raisis erster Vize Mohammed Mochber. Neuwahlen könnten bereits am 28. Juni stattfinden, wie Isna am Montag unter Berufung auf einen Sprecher der Wahlbehörde berichtete. Das hiesse, vom 28. Mai an wäre eine Registrierung der Kandidaten möglich. Offiziell bestätigt ist der Termin bisher aber nicht.
Anders als in vielen Ländern ist der Präsident im Iran nicht das Staatsoberhaupt, sondern bloss Regierungschef. Die eigentliche Macht konzentriert sich auf den Religionsführer, der in allen strategischen Belangen das letzte Wort hat. Seit 1989 ist das Ajatollah Ali Chamenei.
Die Verbündeten Teherans – unter ihnen Russland und China – kondolierten nach dem Tod der Politiker, aus westlichen Ländern kamen eher verhaltene Reaktionen. Die US-Regierung bekundete zwar ihr Beileid, begleitete dies aber mit einem Hinweis auf die Menschenrechtslage im Iran. «Während der Iran einen neuen Präsidenten wählt, bekräftigen wir unsere Unterstützung für das iranische Volk und seinen Kampf für Menschenrechte und Grundfreiheiten», teilte US-Aussenminister Antony Blinken am Montag in einer schriftlichen Stellungnahme mit.
Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, sagte, Raisi sei für grausame Menschenrechtsverletzungen in seinem Land verantwortlich gewesen, ebenso für die Unterstützung von Terrornetzwerken in der gesamten Region. «Keine Frage – das war ein Mann, der eine Menge Blut an seinen Händen hatte.» Die US-Regierung bedaure aber generell den Verlust von Menschenleben und habe daher offiziell ihr Beileid ausgesprochen. Dies sei übliche Praxis. Von der deutschen Regierung kam zunächst keine Reaktion.
Raisi wurde 1960 in Maschhad geboren und war über drei Jahrzehnte in der zentralen Justizbehörde des Landes tätig. 2019 wurde er zum Justizchef ernannt. In seiner früheren Funktion als Staatsanwalt soll er 1988 für zahlreiche Verhaftungen und Hinrichtungen politischer Dissidenten verantwortlich gewesen sein, weshalb ihn seine Gegner «Schlächter von Teheran» nannten.
Experten hatten Raisi zwischenzeitlich auch als möglichen Nachfolger für den nunmehr 85 Jahre alten Religionsführer Chamenei gehandelt. Auch wenn sich insbesondere die Kritik der jungen Generation inzwischen immer mehr gegen das gesamte System der Islamischen Republik richtet, stand Raisi als Gesicht der Regierung innenpolitisch besonders unter Druck. Unter ihm wurde zuletzt auch der umstrittene Kurs bei der Verfolgung des Kopftuchzwangs vorangetrieben, der Teile der Bevölkerung noch mehr gegen den staatlichen Machtapparat aufbrachte. In sozialen Medien reagierten zahlreiche Iranerinnen und Iraner mit Schadenfreude auf die Nachricht vom Tod des Präsidenten.