Trump und Pence Das Ende einer Zweckehe

Von Gil Bieler

16.1.2021

Der abgewählte US-Präsident Donald Trump und Vizepräsident Mike Pence bei einem Pressetermin im Weissen Haus. 
Der abgewählte US-Präsident Donald Trump und Vizepräsident Mike Pence bei einem Pressetermin im Weissen Haus. 
Bild: AP Photo/Evan Vucci

Mike Pence hätte für seine Loyalität einen Orden verdient. Vier Jahre hielt der US-Vizepräsident zu seinem Boss – komme, was da wolle. Doch nach dem Sturm aufs Kapitol endet die Beziehung im Drama.

Als aufgebrachte Anhänger von Donald Trump vergangene Woche in das US-Kapitol eindrangen, gingen nicht nur Scheiben und Mobiliar zu Bruch – auch zwischen dem US-Präsidenten und einem seiner treuesten Gefährten wurde viel Geschirr zerbrochen.

«Wo ist Pence?», soll der Mob im Kapitol gerufen haben: Der Vizepräsident, der bis dahin trotz aller Wirren und Skandale loyal zu Trump gehalten hatte, gilt bei ihnen plötzlich als Verräter.

Pence musste von Sicherheitskräften in einen geheimen Raum gebracht werden. Was passiert wäre, wäre die Menge seiner habhaft geworden, will man sich gar nicht ausmalen. Der Secret Service untersucht seither auch Morddrohungen gegen Pence.

Pence als Sündenbock

Eingebrockt hatte Pence das Ganze ausgerechnet sein Boss, dem er stets die Treue gehalten hat. In den Tagen vor dem Aufflammen der Gewalt hatte Trump mehrfach behauptet, Pence könne im Kongress die Bestätigung seiner Wahlniederlage noch verhindern. Dass das nicht stimmt, drang nicht bis zur Trump-Basis vor – der Sündenbock war ausgemacht. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde.

Nach einer Aussprache sollen sich die beiden – Tage nach den Krawallen mit fünf Todesopfern – wieder versöhnt haben. Es ist aber ein Zusammenraufen mit Ablaufdatum: Am kommenden Mittwoch wird Trumps Präsidentschaft offiziell enden, danach dürften sich die beiden Männer nie mehr sehen, witzelte Jimmy Kimmel kürzlich in seiner Late-Night-Show: «Es sei denn, Pence besucht Trump im Gefängnis.»

Ohnehin fragte man sich als Aussenstehender stets, warum die beiden überhaupt so gut miteinander konnten. Sie sind in so unterschiedlichen Welten zuhause, es könnten genauso gut verschiedene Planeten sein. Pence ist ein tiefreligiöser Evangelikaler, nicht wenigen gilt sein Glaube als radikal. Homosexualität, Abtreibung, selbst die Evolutionslehre, für Pence alles des Teufels.

In einem Beitrag der «Washington Post» erklärte er 2002 sogar, er wolle nicht allein mit einer anderen Frau als seiner Gattin Karen in einem Raum sein oder essen gehen. «Und führe uns nicht in Versuchung …» und so weiter.



Der Autor Mike Lofgren, selbst Republikaner, sagte dem Magazin «The New Yorker» einmal, Pence stehe politisch «so weit rechts, wie du nur stehen kannst, ohne von der Erde zu fallen». 

So extrem seine Ansichten sein mögen, so korrekt ist Pence im Umgang. Der Unterschied zu seinem Tandem-Partner ist frappant: Trump ist angeberisch, zweimal geschieden, hat einem Pornostar 130'000 Dollar Schweigegeld bezahlt und möchte Frauen «by the pussy» packen. Ausserdem hat es der Lebemann auch nicht so mit der Bibel, auch wenn er sie pflichteifrig als sein «liebstes Buch» bezeichnet, um der religiösen Wählerbasis zu schmeicheln.

Kein Vergleich zu Obama und Biden

Was auch immer zwischen diesen beiden Männern während ihrer gemeinsamen vier Jahre in Washington gediehen ist, eine Bromance war es kaum. Eher eine Zweckehe.

Dass man mit Blick auf einen US-Präsidenten und seinen Vizepräsidenten überhaupt von einer Bromance spricht, haben die beiden ihrem – von Trump so wenig geschätzten – Vorgänger-Duo zu verdanken: Die innige Freundschaft zwischen Präsident Barack Obama und seinem damaligen Vize Joe Biden ist legendär, die beiden kamen hervorragend miteinander aus.

Unvergessen die Szene, als Obama zum Ende seiner Präsidentschaft Biden eine Freiheitsmedaille verlieh – und dieser gerührt ein paar Tränchen verdrückte. «Dies ist die letzte Chance für das Internet, um über unsere Bromance zu spotten», meinte Obama selbstironisch.

Freundschaftlich verbunden: Präsident Barack Obama ehrt seinen Vizepräsidenten Joe Biden am 12. Januar 2017 mit einer Freiheitsmedaille.
Freundschaftlich verbunden: Präsident Barack Obama ehrt seinen Vizepräsidenten Joe Biden am 12. Januar 2017 mit einer Freiheitsmedaille.
Bild: Keystone/AP Photo/Susan Walsh

Zwischen Trump und Pence dagegen herrscht seit der Randale im Kaptiol dem Vernehmen nach ein frostiges Verhältnis. Zwar hat Pence sich dem Wunsch der Demokraten verweigert, Trump gemäss dem 25. Artikelzusatz als für die Amtsführung ungeeignet zu erklären und damit frühzeitig aus dem Weissen Haus zu hebeln. Doch vielleicht wollte er damit auch vermeiden, noch mehr ins Visier der radikalen Trump-Basis zu geraten. 

Dass Trump und Pence künftig wohl getrennte Wegen gehen, dürfte für alle Welt am 20. Januar ersichtlich werden, wenn Joe Biden als 46. Präsident der USA vereidigt wird. Pence hat bereits erklärt, er werde an der Zeremonie teilnehmen. Trump hat abgesagt.

«Ich will nicht dein Freund sein», hatte Trump Pence an einem Treffen vor der Erstürmung des Kapitols klargemacht, berichtete das «Wall Street Journal». «Ich will, dass du mein Vizepräsident bist.» Was den ersten Teil angeht: Sein Wille wird wohl bald geschehen.

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