Post vom Präsidenten Trumps virtueller Klingelbeutel

dpa/toko

24.10.2020

Das Wahlkampfteam von US-Präsident Donald Trump bombardiert die Wähler mit E-Mails und SMS.
Das Wahlkampfteam von US-Präsident Donald Trump bombardiert die Wähler mit E-Mails und SMS.
Paul Hennessy/SOPA Images via ZUMA Wire/dpa

VIP-Einladungen und Präsente einerseits, Warnungen und Druck andererseits: Im Endspurt des US-Wahlkampfs fluten E-Mails des Trump-Teams die Postfächer. Die Nachrichten sind immer dringend, und sie bieten ein Wechselbad der Gefühle — mit einem einzigen Ziel.

Der Wahlkampfmanager von Donald Trump ist ein vielbeschäftigter Mann — umso bemerkenswerter, wenn eine E-Mail von ihm eintrudelt. In der Betreffzeile heisst es: «Ich habe gerade mit dem Präsidenten gesprochen». In der Mail geht es dann zur Sache: Er als Wahlkampfchef habe Trump nicht erklären können, warum der Name des Adressaten auf der Spenderliste fehlt. Trump habe ihn aufgefordert, Kontakt aufzunehmen und die Sache zu klären — schliesslich sei der Adressat einer seiner «loyalsten Unterstützer». Trumps Wahlkampfteam hat den Klingelbeutel per E-Mail fast schon zu einer Kunstform erhoben — und flutet die Postfächer mit den Bettelbriefen.



Der Posteingang läuft voll

Die Mail, in der Trump seinen Wahlkampfmanager Brad Parscale angeblich zur Rede stellte, kam im Mai. Keine zwei Monate später war Parscale seinen Job los. Ein Grund könnte US-Medienberichten zufolge gewesen ein, dass er — je nach Sichtweise — nicht genug Geld eingesammelt oder zuviel davon ausgegeben hat. An der Flut an Mails aus dem Trump-Lager hat sich auch unter Parscale-Nachfolger Bill Stepien nicht viel geändert — ausser, dass sie ansteigt, je näher die Wahl rückt. Inzwischen sind es mehr als 20 Mails pro Tag. Nicht nur läuft der Posteingang voll. Weil das Trump-Team zusätzlich SMS verschickt, vibriert auch das Handy permanent.

Einladung zur Wahlparty — VIP-Behandlung inklusive

Zu den Unterzeichnern der Mails gehören Trump selbst, seine Angehörigen oder Mitstreiter aus dem Wahlkampfteam. Da schickt einem beispielsweise (angeblich) der Präsident persönlich eine verlockende Einladung: «Der 3. November wird in die Geschichte eingehen als die Nacht, in der wir VIER WEITERE JAHRE gewonnen haben. Es wird absolut GEWALTIG sein, und das Einzige, was es besser machen könnte, ist, DICH dort zu haben.» Was das kosten soll? «Wir werden für Deinen Flug, das Hotel und die VIP-Pässe zur Veranstaltung aufkommen, UND Du darfst einen Gast Deiner Wahl mitbringen», schreibt Trump. Danach kommt freilich der Haken: Um den Trip gewinnen zu können, muss der Angeschriebene erst einen Betrag nach eigenem Ermessen spenden.

Ein Kalender für Patrioten

Melania Trump gibt sich im Ton, nicht aber in der Sache zurückhaltender als ihr Ehemann, dessen Mails im Stil seiner Tweets verfasst sind. «Es ist schon eine Weile her, dass ich mich das letzte Mal gemeldet habe, und Du weisst, dass ich es nicht tun würde, wenn es nicht für einen ganz besonderen Anlass wäre», heisst es vielversprechend in einer First-Lady-Mail. «Ich habe gerade von Hand die Fotos für den offiziellen Trump-Kalender 2021 ausgewählt und kann es kaum erwarten, sie mit Patrioten wie Dir zu teilen.» Da der Kalender womöglich ins Altpapier wandern würde, sollte Donald Trump die Wahl verlieren, bittet auch sie um eine Spende, allerdings nicht in beliebiger Höhe: Mindestens 30 Dollar sollten es schon sein.



Ebbe in Trumps Kriegskasse?

Donald Trump kann Spenden gut gebrauchen. Die «New York Times» berichtete vor wenigen Tagen, sein Team habe im Endspurt des Rennens viel weniger Geld als erwartet. Der Präsident habe deswegen bereits gebuchte TV-Werbezeit gestrichen. Sein demokratischer Herausforderer Joe Biden habe Anfang Oktober 177 Millionen Dollar in der Kriegskasse gehabt - fast drei Mal so viel wie Trump mit seinen 63,1 Millionen Dollar. Als eine Konsequenz daraus habe Trump seine Bemühungen zum Spendensammeln online verstärkt - etwa durch die Massenmails.

Kostenlos für 45 Dollar

Bidens Team verschickt deutlich weniger Mails - und die können es mit der ausufernden Fantasie der Konkurrenz nicht aufnehmen. Sie sind langweiliger, aber empathischer, was sinnbildlich für die beiden Kandidaten stehen könnte. «Ich hasse es, um Geld zu bitten. Aber ich muss», heisst es in einer Biden-Botschaft. «Unser gesamter Wahlkampf zählt darauf, dass unsere Spender an der Basis uns mit den Mitteln unterstützen, die wir für die letzte Etappe benötigen.»

In Trumps Nachrichten gibt es mehr Grossbuchstaben, vor allem aber mehr Dramatik. Da geht es nicht nur um Einladungen zur potenziellen Siegesfeier, um Familienkalender oder um gleich «ZWEI exklusive Trump-Geschenke KOSTENLOS», wobei kostenlos in diesem Fall als Synonym für 45 Dollar steht, die als Spende mindestens fällig werden. Bisweilen scheint in den Mails auch durchzuklingen, dass die Lage für Trump so ernst sein könnte, wie es Umfragen erahnen lassen - selbst wenn der Präsident schlechte Umfragen als gefälscht abtut.

Droht die Zerstörung der Nation?

«Ich muss wissen, dass ich jetzt auf Dich zählen kann», heisst es in einer Mail mit dem Absender Donald J. Trump. «Das amerikanische Volk verdient es zu wissen, worauf es sich einlassen würde, wenn es den schläfrigen Joe und die falsche Kamala wählen würde.» Was dann geschähe? «SIE WÜRDEN UNSERE NATION ZERSTÖREN.» Deswegen müsse der Äther mit Werbespots gegen Biden und seine Vizekandidatin Kamala Harris «GEFLUTET» werden, fordert Trump - das kostet viel Geld.

«Warum hast du nicht gespendet?»

Auch per SMS wird Druck aufgebaut. In einer Handy-Nachricht heisst es vorwurfsvoll, nicht nur Trump, auch sein Vize Mike Pence, seine Söhne Eric und Donald Junior sowie seine Schwiegertochter Lara hätten einem doch geschrieben, was angesichts der SMS-Flut gar nicht so weit hergeholt erscheint. «Warum hast Du nicht gespendet?» Kurz darauf vibriert das Handy mit einer «vertraulichen» Information: «Präsident Trump wird sich DEINE Antwort in zehn Minuten anschauen, Freund.»

Zugang zum exklusiven «Trump 1000 Club»

Die Zeit drängt in diesen Botschaften eigentlich immer, und dabei geht es nicht nur um angebliche Spendenfristen, sondern auch um Dinge wie den «Prioritäts-Zugang» zum «Trump 1000 Club» — die Plätze seien limitiert, warnt Präsidentensohn Eric Trump per Mail. Wer schnell handelt und 35 Dollar spendet, bekommt einen «OFFIZIELLEN» (aber natürlich nicht echten) 1000-Dollar-Schein mit Trumps Konterfei. «Mein Vater und ich waren uns einig, dass ein Patriot wie DU eine ausgezeichnete Ergänzung für den Trump 1000 Club wäre.»

Eric Trump erklärt auch, wie man sich für den erlesenen Zirkel qualifiziert hat. «Während die Mainstream-Medien und ihre demokratischen Partner LÜGEN über Präsident Trump verbreiten, ist Deine Unterstützung nie ins Wanken geraten», schreibt er. «Wir möchten, dass Du weisst, dass das nicht unbemerkt bleibt.» Bei allem Honig, der einem da um den Bart geschmiert wird: Spenden für den Wahlkampf sollte man dann lieber doch nicht, zumindest nicht als Ausländer — das ist in den USA verboten.

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