Tuberkulose Tuberkulose in Nordkorea: Keine Spur von Entspannung

Von Eric Talmadge, AP

16.7.2018

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un besucht ein Spital in Nordkorea. (Archiv)
Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un besucht ein Spital in Nordkorea. (Archiv)
Keystone

Die internationalen Sanktionen gegen Nordkorea haben fatale Folgen. Für den Kampf gegen Tuberkulose werden die Ressourcen immer knapper. Experten warnen mittlerweile vor einer schweren Gesundheitskrise.

Dr. O Yong Il öffnet die Schwingtür mit dem Warnzeichen vor Biogefährdung und zeigt auf die Maschine. Die sollte seine Arbeit revolutionieren. Als Chef der nordkoreanischen Tuberkulose-Labors empfand er sie als Geschenk Gottes. Denn Tuberkulose ist in dem Land das grösste Problem für die Gesundheit der Menschen. Mit dem in den USA produzierten Gerät GeneXpert wäre sein Labor in der Lage, einen TB-Test innerhalb von zwei Stunden durchzuführen - statt wie sonst in zwei Monaten.

Es dauerte Jahre, bis Dr. O die Maschine endlich hatte. Doch dann stellte er fest, dass GeneXpert Kartuschen benötigt, die er nicht ersetzen kann. Inwieweit eine Lieferung aus dem Ausland tatsächlich gegen die Sanktionen verstossen würde, die gegen Nordkorea wegen seines Atom- und Raketenprogramms verhängt wurden, ist unklar. Aber es hat den Anschein, als wolle ihm niemand helfen - um nicht den Zorn der USA auf sich zu ziehen.

Trotz der Entspannung auf der koreanischen Halbinsel nach dem Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong Un zeigen die Sanktionen Wirkung. So fehlt lebensrettende Medizin und andere Unterstützung für Tausende Tuberkulose-Patienten in Nordkorea.

Dr. Os Labor wurde mit Hilfe der Stanford-Universität in Kalifornien und der Hilfsorganisation Christliche Freunde von Korea aufgebaut. Seit April fehlt der Nachschub. Und die stillliegende GeneXpert-Maschine könnte bald nur noch eines der kleineren Probleme sein.

Dr. O Yong Il warnt vor einem Verschlechterung der Lage in Nordkorea.
Dr. O Yong Il warnt vor einem Verschlechterung der Lage in Nordkorea.
Bild: Eric Talmadge/AP/dpa

«Besondere Arbeitsbedingungen in Nordkorea»

Vor zwei Wochen stoppte der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria mit Sitz in Genf alle Zuwendungen an Nordkorea. Zur Begründung hiess es, man könne die «besonderen Arbeitsbedingungen in Nordkorea» nicht länger akzeptieren.

Der Fonds hatte seit 2010 mehr als 100 Millionen Dollar (gut 100 Millionen Franken) für den Kampf gegen Tuberkulose an Nordkorea ausgeschüttet. Im vergangenen Jahr wurde damit die Behandlung von rund 190'000 Menschen unterstützt.

Sprecher Seth Faison sagt, der Fonds biete an, die Lager mit Medizin und anderen Gesundheitsprodukten bis zum nächsten Juni zu versorgen. Man begrüsse die positiven diplomatischen Bemühungen zwischen Pjöngjang und seinen Nachbarn. Aber die Haltung des Fonds stehe fest.

Die Entscheidung schockte die Ärzte im Tuberkulose-Labor in Pjöngjang. Sie loben den Global Fonds für seine Arbeit in der Vergangenheit. Aber jetzt sei er vor dem Druck der USA eingeknickt, einem seiner grössten Unterstützer.

Auch ausserhalb von Nordkorea löste der Rückzug des Fonds Verärgerung aus. In einem Brief, der im Medizin-Journal «Lancet» veröffentlicht wurde, warnte der Harvard-Professor Kee Park, das könne eine öffentliche Gesundheitskrise auslösen. Die Entscheidung sei ein «katastrophaler Betrug» am nordkoreanischen Volk.

«Dann gerieten wir in dieses Sanktionsproblem»

Wenn Tuberkulose-Patienten ihre Medikamente nicht mehr einnehmen oder Mittel mit schlechterer Qualität erhalten, kann das TB-Bakterium Resistenzen entwickeln. Das macht die Behandlung schwieriger und teurer.

Die Eugene Bell Foundation unterstützt die Behandlung von mehr als 1000 Patienten in zwölf Zentren in Nordkorea. Stephen Linton, der die Organisation 1985 gegründet hat, sorgt sich um das Schicksal der Patienten, die vom Global Fonds abhängig sind. Viele von ihnen würden sterben. Aber davor würden sie noch viele andere anstecken.

«Das ist eine Inhalationsinfektion», sagt er. «Jedes Mal, wenn man in einem geschlossenen Raum mit einem TB-Patienten ist, setzt man sich einem Risiko aus. Das heisst, dass diese Menschen für alle, die nach Nordkorea reisen, für alle Touristen, für alle Diplomaten, für einfach jeden eine Gefahr sind, wenn man in ihre Nähe kommt.»

Eigentlich wollte Eugene Bell die Zahl der Patienten in diesem Jahr auf 3000 verdreifachen. Dazu hat man vorgefertigte Zellen für die nordkoreanischen Patienten hergestellt. Diese können unter Aufsicht montiert werden, so dass das Material nicht für andere Zwecke missbraucht wird. Sie werden bezahlt, bevor sie verschifft werden. So kann kein Geld ins nordkoreanische Atomprogramm fliessen.

Bis Dezember sei alles gut gelaufen, sagt Linton. Ein Pilotprojekt mit zehn Zellen läuft bereits in einem Vorort von Pjöngjang. «Aber dann gerieten wir in dieses Sanktionsproblem», sagt er.

Nach Aussage von Linton verrotten Zellen im Wert von rund 250'000 Dollar auf einem Dock in Seoul. Als Amerikaner sorgt er sich, dass sein Land am Ende dafür verantwortlich gemacht wird, wie sich die Tuberkulose in Nordkorea entwickelt. «Wenn nichts unternommen wird, und zwar schnell, wird dieser medizinische Notfall als «Sanktions-Tuberkulose-Epidemie» in die Geschichte eingehen», sagt er. «Und das wird die Halbinsel für Generationen verfolgen.»

Bilder von Nordkoreas Widersprüchen
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