Afghanistan/Pakistan Unbekannte entführen und foltern Diplomaten-Tochter

phi

20.7.2021

Erst hissen die Taliban ihre Flagge an einem Grenzübergang, dann erklärt Pakistan seine Unterstützung für die Fundamentalisten. Für Entsetzen sorgt die brutale Entführung der Tochter des afghanischen Botschafters in Islamabad.

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Es scheint so, als sei der Siegeszug der Taliban in Afghanistan unaufhaltsam – was nicht zuletzt an der Hilfe von aussen liegt, die die selbsternannten Gotteskrieger von Gleichgesinnten bekommen. 

Namentlich in Pakistan trifft die Agenda der Taliban auf Sympathien: Am Donnerstag hissen die Fundamentalisten auf afghanischer Seite des Grenzübergangs Spin Boldak die Flagge der Taliban. Laut «BBC» nehmen sie den Übergang nach Pakistan ein, ohne auf Widerstand zu stossen.

Lage des eroberten afghanischen Übergangs Spin Boldak an der Grenze zu Pakistan: Rund 900 Lastwagen passieren ihn täglich, weil er Kandahar mit Häfen in Pakistan verbindet.
Lage des eroberten afghanischen Übergangs Spin Boldak an der Grenze zu Pakistan: Rund 900 Lastwagen passieren ihn täglich, weil er Kandahar mit Häfen in Pakistan verbindet.
Karte: Google Maps

Sollten die Taliban ihn halten, sei das ein «symbolischer und strategischer Hauptgewinn», glaubt die «BBC».  Doch wenn man dem afghanischen Vizepräsidenten glaubt, hat Kabul kaum eine Chance, den Grenzposten zurückzuerobern: Amrullah Saleh twitterte Donnerstagabend, Pakistans Luftwaffe habe mit einem Angriff gedroht, falls die Armee gegen die Taliban vorrücke.

Islamabad unterstütze in gewissen Gebieten die Taliban aus der Luft, so Saleh – auch die eigenen Jets seien von pakistanischen Kampfflugzeugen bedroht worden. Als Imran Khan auf den Bericht angesprochen wird, lässt Pakistans Premierminister die Frage an sich abperlen und den Reporter stehen, vermerkt India Today: Neu-Delhi beobachtet die Entwicklung mit Blick auf die Lage in Kaschmir natürlich mit Sorge.

Diplomaten-Tochter misshandelt

International sorgt am Wochenende aber ein Fall für Aufsehen, dessen Grausamkeit über die Grenzen hinaus schockiert: Unbekannte entführen am Freitag in Islamabad die Tochter des afghanischen Botschafters Najibullah Alikhil. Die 26-jährige Silsila wird auf dem Heimweg gekidnappt, gefesselt – und über Stunden brutal zusammengeschlagen.

Wie die afghanische Regierung am Samstag mitteilt, lassen die Entführer erst nach rund fünf stunden von ihrem Opfer ab. Weiter wird nur bekannt, dass Silsila von der Polizei in ein Spital gebracht wird. Kabul bestellt noch am selben Tag den pakistanischen Botschafter ein. Najibullah Alikhil und seine Familien werden zurück nach Afghanistan berufen, in Kabul kommt es zu spontanen Protesten gegen die Tat.

Pakistan: Provokateur oder Partner?

Präsident Ashraf Ghani wirft Islamabad vor, eine «negative Rolle» im afghanischen Konflikt zu spielen: «Die Geheimdienste schätzen, dass mehr als 10'000 fundamentalistische Kämpfer aus Pakistan und anderen Orten im letzten Monat ins Land geströmt sind», zitiert ihn Voice of America.

Premier Khan ficht die «extrem unfaire» Kritik jedoch nicht an: Kein Land habe «härter versucht», die Taliban an den Verhandlungstisch zu bringen. Doch das sei auch gescheitert, als «150'000 Nato-Soldaten» in Afghanistan waren, kontert Khan: «Warum sollten [die Taliban jetzt] auf uns hören, da sie kurz vor dem Sieg stehen?»

Der vergnügliche Eindruck trügt: Pakistans Premier Imran Khan (links) mit Josep Borrell, dem EU-Sicherheitsbeauftragten, und dem afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani am 16. Juli in der usbekischen Hauptstadt Taschkent.
Der vergnügliche Eindruck trügt: Pakistans Premier Imran Khan (links) mit Josep Borrell, dem EU-Sicherheitsbeauftragten, und dem afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani am 16. Juli in der usbekischen Hauptstadt Taschkent.
AP

Tatsächlich hat Pakistan gemeinsam mit Usbekistan und Afghanistan eine diplomatische Plattform gebildet, die unter Federführung der USA der Regierung in Kabul helfen soll. «Die Parteien sehen einen dauerhaften Frieden und Stabilität als Grundvoraussetzung für regionale Verflechtung an und stimmen überein, dass Frieden und regionale Verflechtung sich gegenseitig verstärken», heisst es in einer gemeinsamen Erklärung.

Taliban geben sich gesprächsbereit

Weiterhin will Washington eine zentralasiatische Allianz binden, zu der Kirgisistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan gehören sollen. Ein Ansinnen, das wiederum Moskau überhaupt nicht gefällt: Russland unterhält Militär-Basen in Tadschikistan, betrachtet die Region als seine Einflusssphäre und hat zuletzt dort Manöver abgehalten.

Taliban-Führer Hibatullah Achundsada auf einem 2016 veröffentlichten Bild.
Taliban-Führer Hibatullah Achundsada auf einem 2016 veröffentlichten Bild.
AP

Die Taliban geben sich derweil nach aussen kompromissbereit. «Trotz der militärischen Erfolge und Fortschritte bevorzugt das Islamische Emirat entschieden eine politische Lösung», lässt Taliban-Führer Hibatullah Achundsada gestern verlauten. Ob diesen Worten auch Taten folgen, muss sich erst noch zeigen.