Schulanfang in der Ukraine Tausende Bunker sollen den Kindern sicheres Lernen garantieren

tgab

23.8.2022

Viele Klassenzimmer in der Ukraine sind durch Bombeneinschläge beschädigt. Nun soll der Schulunterricht in Bunkern und Luftschutzkellern stattfinden.
Viele Klassenzimmer in der Ukraine sind durch Bombeneinschläge beschädigt. Nun soll der Schulunterricht in Bunkern und Luftschutzkellern stattfinden.
SERGEY KOZLOV/Keystone

In der Ukraine werden neue Bunker gebaut. Nicht für Soldaten an der Front, sondern für Schüler. Im September beginnt das neue Schuljahr unter Kriegsbedingungen.

tgab

23.8.2022

Sechs Monate nach Ausbruch der russischen Invasion bereitet sich die Ukraine auf ein neues Schuljahr vor – während die Streitkräfte im Osten den russischen Angriff kämpfen und die Wirtschaft des Landes am Boden liegt.

Nach Angaben von Bildungsbeamten haben die Kämpfe rund 2'300 der 17'000 ukrainischen Schulen beschädigt. Bildungsminister Serhiy Shkarlet schätzt, dass etwa 59 Prozent aller Schulen und Universitäten nicht bereit sein werden, den Präsenzunterricht im September wieder aufzunehmen.

Viele Schulgebäude in der Ukraine sind durch den russischen Angriffskrieg in Mitleidenschaft gezogen worden.
Viele Schulgebäude in der Ukraine sind durch den russischen Angriffskrieg in Mitleidenschaft gezogen worden.
SERGEY KOZLOV/EPA

«Unsere Schulen sind nicht als Verteidigungseinrichtungen konzipiert», sagt Serhii Horbatschow, der ukrainische Ombudsmann für Bildung, dem Nachrichtensender CNN. «Das Studienjahr wird sehr schwierig», prognostiziert er. «Es wird unter unvorhersehbaren Bedingungen beginnen, da es in der Ukraine eigentlich keinen sicheren Ort gibt. Russische Raketen können überall einschlagen.»

Fehlende Laptops für Online-Unterricht

Betroffen sind etwa 5,7 Millionen Kinder im schulpflichtigen Alter zwischen drei und 18 Jahren, die in der Ukraine leben. Davon sind bis zu 2,8 Millionen Flüchtlinge im eigenen Land.

Schon kurz nach der russischen Invasion stellte die Ukraine auf Online-Unterricht um. Aber der Mangel an Geräten und der Zugang zu schnellem Internet sind eine Hürde, stellte eine Umfrage der ukrainischen Regierung vom Juni zur Ermittlung des Bildungsbedarfs fest. Demnach fehlen 203'000 Tablets und 165'000 Laptops für Lehrer und Schüler, um weiterhin online zu lernen.

Jetzt bemühen sich Bildungseinrichtungen im ganzen Land darum, Bunker und Luftschutzkeller für den Präsenzunterricht zu bauen.

In Irpin zum Beispiel, einem Vorort der Hauptstadt Kiew, wurden Teile der Schule Nummer 17 durch den Krieg zerstört. In der Schule wurden mehr als 2'400 Kinder unterrichtet. Granatsplitter haben das Dach der Schule beschädigt und alle Fenster zerbrochen.

Die klaffenden Löcher in den bunten Wänden und Böden der Schule wurden inzwischen mit Beton und Putz geflickt. Mithilfe des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen, UNICEF, baut die Schule ihren Luftschutzbunker wieder auf. «Wir sorgen dafür, dass es dort sicher und bequem ist, dass die Kinder keine Angst haben müssen und die Eltern beruhigt sein können», sagt Schulleiter Ivan Ptashnyk zu CNN.

Viele Lehrerinnen haben das Land verlassen

Allerdings habe der Krieg auch zu einem Braindrain von Lehrern geführt, da 22'000 der 434'000 Erzieher der Ukraine, von denen die meisten Frauen sind, das Land verlassen hätten, berichtet der Sender.

Diejenigen, die geblieben sind, werden zunehmend ängstlicher. «Wir haben eine Umfrage unter 350 Lehrern durchgeführt und alle gaben an, dass ihnen die gestiegene Verantwortung gegenüber den Kindern zu schaffen macht», sagt Oksana Matiiash, Leiterin von Teach For Ukraine, einer gemeinnützigen Bildungsorganisation, die junge Lehrer für die Arbeit an Schulen in einkommensschwachen Gemeinden ausbildet und rekrutiert.

Die Eltern müssen entscheiden

Sozialisierung ist ein wichtiger Teil des Lernens, der Entwicklung kritischer Denkfähigkeiten und der Problemlösung, weshalb «letztendlich jedes Kind wieder zur Schule gehen und in der Schule lernen soll», sagt UNICEF-Vertreter Murat Sahin. «Kinder lernen vieles nicht nur im Kontakt mit Erwachsenen, sondern auch mit Gleichaltrigen. Das ist in einem Online-Format sehr schwer zu erreichen», ergänzt Ombudsmann Horbatschow.

Letztlich müssen aber die Eltern entscheiden, ob sie damit einverstanden sind, ihre Kinder wieder in die Schule zu schicken. Viele sind verständlicherweise zurückhaltend. Laut Horbachov hätten sich diejenigen, die in der Nähe der östlichen Front leben, aufgrund des ständigen Risikos von Luft- und Artillerieangriffen eher für das Online-Lernen entschieden.