Lagebild Ukraine Wagner-Chef sagt Start von Kiews Offensive voraus

Von Philipp Dahm

28.4.2023

Kiew: Vorbereitungen für Gegenoffensive vor dem Abschluss

Kiew: Vorbereitungen für Gegenoffensive vor dem Abschluss

Die Vorbereitungen für die erwartete Gegenoffensive der Ukraine stehen nach Angaben der Regierung in Kiew vor dem Abschluss. «Die Vorbereitungen gehen ihrem Ende entgegen», sagte der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow bei einer Pre

28.04.2023

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin hält eine ukrainische Offensive nicht vor dem 9. Mai für möglich. In der Schlacht um Bachmut fahren beide Parteien schwere Geschütze auf, die die Stadt dem Erdboden gleichmachen.

Von Philipp Dahm

28.4.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Warten auf besseres Wetter: Der Boss der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, rechnet mit einer ukrainischen Offensive ab dem 9. Mai.
  • Schwere Zerstörungen: In der Schlacht um Bachmut setzen beide Seiten schwere Gleitbomben und Mörser ein. 
  • Im Süden stärkt Russland die Verteidigung im AKW Saporischschja, nachdem ukrainische Truppen den Dnjepr überquert haben.

Die Ukraine habe 98 Prozent der Ausrüstung bekommen, die sie für eine grosse Offensive benötige, sagt US-Army-General Christopher Cavoli am 26. April dem zuständigen Ausschuss im US-Repräsentantenhaus. So gesehen sei Kiew in einer «guten Position» – doch das Wetter spielt nicht mit.

Es bleibt ungewöhnlich nass. Der Schlamm bremst nicht nur den Nachschub der Verteidiger von Bachmut, sondern auch grosse Angriffe aus. Das weiss auch Jewgeni Prigoschin: «Die ukrainische Offensive ist unausweichlich», prophezeit der Chef der Gruppe Wagner.

Prigoschin rechnet nicht mit einem Beginn vor dem 9. Mai – ausgerechnet dann, wenn Moskau den Tag des Sieges über Nazideutschland feiert. Weiter beschwert sich der Söldner-Boss bitterlich über fehlende Munition und schwindenden Personalbestand, weil die Verträge seiner Zeitsoldaten auslaufen.

Gleichzeitig warnt der Militärexperte Mick Ryan davor, die russische Kampfkraft zu unterschätzen. Wladimir Putins Generäle hätten bewiesen, dass sie dazulernen könnten, schreibt der Australier. Das habe etwa der Rückzug aus Cherson gezeigt.

Bachmut wird eingeebnet

«Eine der jüngsten taktischen Anpassungen waren die Formationen von Stosstruppen und die Anwendungen von Infiltrationstaktiken, um starke ukrainische Stellungen zu umgehen», analysiert Ryan. Auch die russische Luftwaffe habe sich neu aufgestellt und setze nun auf Waffen mit grösserer Reichweite, um eigene Verluste zu vermeiden.

Weil Wohnviertel mit hohen Häusern das weitere Vorrücken russischer Truppen in Bachmut erschweren, werden diese dem Erdboden gleichgemacht.
Weil Wohnviertel mit hohen Häusern das weitere Vorrücken russischer Truppen in Bachmut erschweren, werden diese dem Erdboden gleichgemacht.
YouTube/Reporting from Ukraine

Das zeigt sich derzeit in Bachmut, wo Russland schwere Gleitbomben einsetzt, um Wohnviertel mit hohen Häusern einzuebnen – und den Verteidigern so das Leben zu erschweren. Die Gegenseite antwortet in derselben Sprache und filmt, wie amerikanische JDAM-Bomben ganze Hochhäuser in Rauch aufgehen lassen.

Der Vorort Khromove im Norden von Bachmut wird ebenfalls heftig attackiert. Die Angreifer fahren hier mit der 2S4 Tjulpan den grössten Mörser der Welt auf, der 240-Millimeter-Munition verschiesst. Ob die Verteidiger die Stadt wie geplant noch bis Mitte Mai halten können, scheint fraglich.

Russen igeln sich im AKW Saporischschja ein

Einen Erfolg konnte Kiew zuletzt in Cherson vermelden, als Kommandos auf das linke, östliche Ufer des Dnejpr übergesetzt wurden. Sie setzen auf leichte Fahrzeuge wie Humvee-Jeeps ein, die erstmals gefilmt wurden, wie sie Boden-Boden-Raketen vom Typ APKWS verschiessen.

Wegen der ukrainischen Truppen am östlichen Ufer hat Russland seine Kräfte beim Atomkraftwerk Saporischschja verstärkt – und direkt auf den Anlagen Stellung bezogen, wie der britische Geheimdienst meldet. Wie gefährlich es am Dnjepr ist, haben Journalisten am eigenen Leib erfahren, als sie die Antoniwkabrücke in Cherson inspizieren wollten.

«Unser Korrespondent Corrado Zunino und sein Helfer Bohdan Bitik sind Opfer eines Hinterhalts russischer Scharfschützen geworden», meldet die italienische Zeitung «La Repubblica». «Bitik hat es leider nicht geschafft und ist gestorben. Er hinterlässt seine Frau und einen Sohn», heisst es weiter. Sein Kollege wurde in die Schulter getroffen.

Waffen-Update

Die Ukraine hat neue Unterwasser-Drohnen aus heimischer Produktion vorgestellt. Dabei handelt es sich eigentlich um Torpedos, die angeblich mit GPS gelenkt werden, aber auch selbst navigieren können. Sie erfassen ihr Ziel mit Video und Wärmebild: Die grösste Version hat eine Reichweite von 2000 Kilometern und kann 5 Tonnen Sprengstoff mitführen.

Kiew verfügt ausserdem über eines der neusten deutschen Flugabwehr-Systeme: Skynex ist in der Ukraine im Einsatz, bestätigt Premier Denys Schmyhal bei einem Besuch von Rheinmetall Italia. Es sei im Kampf gegen Drohnen besonders wichtig, betont der 47-Jährige.

Der Iran ist für Russland ein wichtiger Lieferant geworden: Im letzten halben Jahr hat Teheran Moskau mit 300'000 Artillerie-Granaten und einer Million Schuss Munition versorgt, berichtet das «Wall Street Journal». Hinzu kommen Hunderte Kamikaze-Drohnen.

Lagebild Ukraine: Das Schlachtfeld kommt mehr und mehr in Bewegung

Lagebild Ukraine: Das Schlachtfeld kommt mehr und mehr in Bewegung

Die Luft in Bachmut wird immer dünner, doch die Verteidiger halten stand. Im Norden gibt es Scharmützel, während im Süden ukrainische Kräfte möglicherweise die erwartete Grossoffensive vorbereiten: Ukrainische Truppen haben den Dnepr überschritten.

24.04.2023