Der republikanische Fraktionschef Kevin McCarthy trifft im Kapitol ein.
Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, ruft zur Ordnung.
Mitglieder des Repräsentantenhauses mit ihren Familien bei der Verlesung eines Gebets.
McCarthy scheitert bei Chefpostenwahl im US-Kongress - Gallery
Der republikanische Fraktionschef Kevin McCarthy trifft im Kapitol ein.
Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, ruft zur Ordnung.
Mitglieder des Repräsentantenhauses mit ihren Familien bei der Verlesung eines Gebets.
Die Wahl zum Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses zum Start eines neuen Kongresses ist üblicherweise eine Formalie. Diesmal artet es in ein Drama von historischem Ausmass aus.
In dem unerbittlichen Machtkampf der Republikaner um den Vorsitz im US-Repräsentantenhaus zeichnet sich auch im dritten Wahlgang eine Schlappe für den Republikaner Kevin McCarthy ab. Erneut verweigerten ihm mehrere Parteikollegen ihre Unterstützung und stimmten stattdessen für den republikanischen Abgeordneten Jim Jordan. Nachdem der 57-jährige McCarthy am Dienstag bereits bei der Abstimmung im ersten Anlauf eine historische Niederlage erlitt und auch im zweiten Durchgang eine Mehrheit verfehlte, startete direkt im Anschluss ein dritter Wahlgang in der konstituierenden Sitzung der Parlamentskammer.
Im ersten Wahlgang hatten sich 19 Parteikollegen gegen McCarthy aufgelehnt und anderen Kandidaten ihre Stimme gegeben. Beim zweiten Anlauf votierten 19 Republikaner geschlossen für Jordan. Dieser hatte zuvor McCarthy für den zweiten Wahlgang nominiert und seinen Parteikollegen ins Gewissen geredet, die Reihen zu schliessen. Doch dann holte direkt im Anschluss einer der härtesten Gegner McCarthys, der Parlamentarier Matt Gaetz, zum Schlag aus – und nominierte ausgerechnet Jordan. Jordan ist ein Getreuer von Ex-Präsident Donald Trump und versammelte schliesslich in der zweiten Runde alle 19 Abweichler hinter sich.
Anzahl der Wahldurchgänge offen
Es war zunächst offen, wie viele Abstimmungen noch notwendig sein werden, um einen neuen Vorsitzenden für die Parlamentskammer zu wählen. Unklar war auch, ob sich die Wahl über mehrere Tage ziehen könnte. Jeder Wahlgang ist langwierig, weil alle Abgeordneten einzeln aufgerufen werden, um ihren Wunsch-Kandidaten zu benennen. Und bis der Vorsitz geklärt ist, geht im Repräsentantenhaus gar nichts: Nicht mal die neuen Abgeordneten können vereidigt werden.
Es ist das erste Mal seit hundert Jahren, dass bei der Wahl zu dem mächtigen Amt mehr als ein Anlauf nötig ist und eine Fraktion ihrem Kandidaten im ersten Durchgang die Gefolgschaft verweigert.
Nach den Parlamentswahlen im November kam der Kongress am Dienstag erstmals in neuer Konstellation zusammen. Die Republikaner übernahmen die Kontrolle im Repräsentantenhaus – im Senat haben die Demokraten von Präsident Joe Biden weiter eine knappe Mehrheit. Der erbitterte interne Kampf der Republikaner um die Führung im Repräsentantenhaus wütet seit Wochen. Nun kam es aber für McCarthy noch schlimmer als erwartet.
McCarthy blossgestellt
Der Posten des Vorsitzenden in der Kammer, den in den vergangenen Jahren die Demokratin Nancy Pelosi innehatte, steht in der staatlichen Rangfolge der USA an dritter Stelle nach dem Präsidenten und dessen Vize. Üblicherweise ist die Wahl eine Formalie. Doch mehrere Parteikollegen lehnten sich gegen McCarthy auf und hatten bereits vor der Wahl deutlich gemacht, nicht für McCarthy stimmen zu wollen. Dieser machte etliche Zugeständnisse an seine Gegner, denn angesichts einer knappen Mehrheit der Republikaner in der Kammer ist er auf fast jede Stimme angewiesen.
Für McCarthy ist seine Niederlage in den beiden Wahlgängen eine öffentliche Blossstellung, die auch die Zerrissenheit der Partei zeigt. Es ist hundert Jahre her, dass ein Kandidat bei der Abstimmung zum Vorsitz im Repräsentantenhaus nicht im ersten Wahlgang die nötige Mehrheit erreichte: 1923 waren neun Wahlgänge nötig, um einen Vorsitzenden zu bestimmen. Damals dauerte das Ganze mehrere Tage.
McCarthy hatte sich kurz vor der Sitzung kämpferisch gegeben und gesagt: «Ich halte den Rekord für die längste Rede im Plenum.» Er habe kein Problem damit, einen Rekord aufzustellen für die meisten Wahlgänge bei einer Abstimmung zum Vorsitz im Repräsentantenhaus.
Keine guten Voraussetzungen
Auch wenn sich McCarthy am Ende durchsetzen sollte, wird er geschwächt aus dem Gerangel hervorgehen und muss sich in den kommenden Jahren auf einige Schwierigkeiten einstellen bei der Organisation von Mehrheiten in der Kongresskammer.
McCarthy legte am Dienstag sichtlich verärgert offen, am Montag sei ihm gesagt worden, er werde nur die nötigen Stimmen bekommen, wenn er bestimmte Mitglieder der Fraktion mit bestimmten Ämtern und Etats versorge. Sein Gegner Gaetz habe sogar unverblümt gesagt, ihm sei es egal, wenn im Zweifel der Kandidat der Demokraten die Wahl gewinne. Seinen Widersachern gehe es allein um das persönliche Fortkommen, nicht um das Land, so McCarthy. Es werde vielleicht eine «Schlacht» im Plenum der Kammer geben, aber dabei gehe es um die gesamte Fraktion und das Land, «und das ist ok für mich».
Die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus ist wie die gesamte Partei zerrissen zwischen rechten Anhängern Trumps und moderateren Parteimitgliedern. Angesichts der nur knappen Mehrheit muss McCarthy die verschiedenen Flügel hinter sich vereinen und selbst Mitglieder vom äussersten Rand seiner Fraktion für sich gewinnen, um Vorsitzender zu werden. Die Demokraten haben keine Chance, aus eigener Kraft den Vorsitzenden zu stellen, weil sie die kleinere Fraktion in der Kammer sind.