USA Warum ein Präsident Biden den «Kalten Krieg» mit China weiter anheizen würde

tsha

13.10.2020

Sowohl Donald Trump (links) als auch Joe Biden stehen für eine Handelspolitik, die zuvorderst US-Interessen dienen soll.
Sowohl Donald Trump (links) als auch Joe Biden stehen für eine Handelspolitik, die zuvorderst US-Interessen dienen soll.
Bild: Keystone

Trump oder Biden: Im Handelskonflikt mit China setzen beide Politiker auf Konfrontation. Am Ende dürfte sich Peking als moralischer Sieger fühlen.

«Buy American» – kauft Waren aus US-Produktion: Im Wahlkampf ums Weisse Haus sieht man Slogans wie diesen in letzter Zeit häufiger. Allerdings nicht bei den Auftritten von Donald Trump, der weiterhin bei seinem Erfolgsrezept namens «Make America Great Again», kurz MAGA, bleibt. Es ist sein Herausforderer Joe Biden, der derart an den Nationalstolz seiner Landsleute beim Einkaufen appelliert. 

Auch wenn sich Biden und Trump in vielen Punkten unterscheiden, nicht zuletzt in der Art und Weise, wie sie kommunizieren: In der Handelspolitik und damit auch im Auftreten gegenüber China haben die beiden Rivalen mehr gemeinsam, als sie sich vielleicht eingestehen wollen.

Trump selbst sieht das offenbar noch anders. Biden, so schimpfte er unlängst bei einem Auftritt, würde «Jobs nach China verlagern». Ein Vorwurf, der Gift ist in diesem aufgeheizten Wahlkampf, und den Biden nicht auf sich sitzen lassen will. Immer wieder fordert er deshalb seine Landleute auf, in den USA zu investieren und zu produzieren – so, als wolle er möglichst wenige Angriffsfläche bieten für Trumps Attacken.



Denn ganz daneben liegt der Amtsinhaber mit seinen Behauptungen nicht. Die Freihandelspolitik der letzten Jahrzehnte, von der China stark Mass profitiert hatte, trug Biden in der Vergangenheit immer mit. Sei es als Vizepräsident unter Obama oder als Senator in den Jahren zuvor. Noch Hillary Clinton gab sich im Wahlkampf vor vier Jahren als überzeugte Globalistin und lag damit ganz auf der Linie vieler anderer Demokraten. Genutzt hat ihr das freilich nicht, im Gegenteil: Gerade in den ärmeren Teilen der USA, die der Globalisierung feindlich gegenüberstehen, verlor sie Stimmen an Donald Trump. 

Globalisierung: Fluch oder Segen?

Dass Joe Biden nun das Gegenteil fordert von dem, was er bis vor ein paar Jahren noch auf seiner Agenda hatte, hängt einerseits sicher mit den Lehren zusammen, die er aus Clintons gescheiterter Kandidatur gezogen hat. Allerdings gab es schon damals Stimmen in der Demokratischen Partei, die den Globalisierungskurs ihrer Führung offen kritisierten. Denn die Finanzkrise des Jahres 2008 hatte nach Meinung vieler die Schattenseiten der Globalisierung offengelegt.

Im April 2017 war Xi Jinping (rechts) zu Gast bei Donald Trump.
Im April 2017 war Xi Jinping (rechts) zu Gast bei Donald Trump.
Bild: Keystone

Trump hat seinen Feldzug gegen Globalisierung und Multilateralismus in den vergangenen vier Jahren zum Leitstern seiner Politik gemacht. Die Beziehungen zwischen den USA und China sind so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Man muss wohl bis ins Jahr 1989 zurückgehen, als China die Demokratiebewegung blutig niedergeschlagen hatte, um einen Punkt zu finden, an dem das Verhältnis der beiden Nationen ähnlich frostig war wie heute. Manch ein Beobachter spricht schon von einem neuen Kalten Krieg zwischen den beiden Supermächten.



Die Forderungen, die Biden im Wahlkampf aufstellt, klingen nach «MAGA»-Populismus pur. «Wenn es Ihre Konzernstrategie ist, die Gewinne Ihrer Aktionäre und die Boni Ihrer CEOs anzukurbeln, indem Sie Jobs aus Amerika verlagern, werden wir nicht nur dafür sorgen, dass Sie die vollen US-Steuern auf diese Gewinne zahlen», drohte Biden vor Kurzem gegenüber US-Wirtschaftsvertretern und kündigte eine Strafsteuer an. Amerikanische Unternehmen, die im Ausland produzierten, müssten zehn Prozent Aufschlag zahlen, so Biden. Einen entsprechend hohen Steuerrabatt stellte er hingegen jenen Unternehmen in Aussicht, die Jobs aus dem Ausland zurück in die USA holten. 

China zwischen Bangen und Hoffen

Das klingt nicht danach, als wolle Biden auf China zugehen – im Gegenteil. Während Trump meist die nationalistische Karte spielt, setzt Biden auf die wirtschaftlichen Sorgen seiner möglichen Wähler. Das Resultat aber ist dasselbe. Sollte der 77-Jährige, sofern er denn Anfang November ins Weisse Haus gewählt wird, mit seinen Drohungen ernst machen, dürfen es weiterhin ungemütlich kalt bleiben zwischen China und den USA. Ob man das in China erkannt hat?

Dass Biden in den Umfragen derzeit vor dem amtierenden Präsidenten liegt, scheint zumindest die Anleger in China zu freuen. «Die Aussicht auf einen US-Präsidenten Biden lässt in China die Märkte frohlocken», analysierte unlängst das deutsche «Handelsblatt». Vielleicht ja, weil Biden im Gegensatz zu Trump seine Kritik an Peking in weniger aggressive Rhetorik packt. Ausserdem gilt er als verlässlicher als Donald Trump, der berüchtigt dafür ist, seine Politik von einem Tag auf den nächsten zu ändern. Dasselbe China, das er heute fast täglich mit derbsten Worten beschimpft, versuchte er vor wenigen Jahren noch mit Schmeicheleien zu umgarnen. 



Es gibt aber auch Stimmen in China, die genau aus diesem Grund nicht Trump, sondern Biden als grössere Gefahr für die gemeinsamen Handelsbeziehungen sehen. Trumps Herumeiern und das offensichtliche Fehlen einer Strategie des US-Präsidenten sehen sie als weniger gefährlich an als Bidens entschlossenes, in sich konsistentes Auftreten gegenüber Peking.

China als moralischer Sieger?

Biden könnte «koordiniertere Taktiken» gegenüber China anwenden, als das Trump bisher tat, befürchtet Cheng Xiaohe, Professor für internationale Beziehungen an der Chinesischen Volksuniversität in Peking. Sein Auftreten im Handelsstreit könnte «effektiver und effizienter» für die USA sein, so Cheng gegenüber der «New York Times».

Egal also, wer am 3. November die US-Wahl gewinnt, am Ende könnte China weiterhin die Doppelrolle spielen, die das Land seit Jahren einnimmt: Einerseits dürfte die chinesische Wirtschaft weiterhin unter dem Konflikt mit den USA leiden; andererseits würde auch ein US-Präsident Biden seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping einen Vorwand geben, sich öffentlichkeitswirksam als Alternative zum US-Protektionismus zu präsentieren.

Denn spätestens seit seinem medienwirksamen Auftreten auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Jahr 2017 gefällt sich Xi sichtbar in der Rolle als leuchtende Alternative zum amerikanischen Isolationismus. Ob Trump oder Biden – als moralischer Sieger dürfte Xi aus der kommenden US-Wahl hervorgehen, als jenes Land, das jene Werte hochhält, die einst von den USA mit geprägt wurden. So zumindest wird sich China nur allzu gerne der Weltöffentlichkeit präsentieren.

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