«Titanic», Weltall, Mount EverestWer viel Geld hat, kann es sich leisten, in Lebensgefahr zu geraten
dpa/tafi
22.6.2023 - 00:00
Was die Tauchboot-Suche im Nordatlantik so schwierig macht
Die Expedition sollte vier Touristen und ihren Piloten zum Wrack der «Titanic» in fast 4.000 Metern Tiefe führen. Eine für Menschen lebensfeindliche Region, die den Rettungseinsatz laut Experten so kompliziert, wie eine Weltraummission macht.
20.06.2023
Mit einem Tauchboot sind fünf Abenteurer auf dem Weg zum Wrack der «Titanic» verschollen. Sie sind nicht die ersten Menschen, die Unsummen an Geld für den ultimativen Nervenkitzel bezahlen. Warum tun sie das?
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22.06.2023, 00:00
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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Immer mehr Menschen suchen bewusst das Risiko und werden von einer willfährigen Abenteuer-Industrie unterstützt.
Nicht nur Trips zur «Titanic» versprechen den ultimativen Kick, auch Ausflüge ins Weltall werden immer beliebter.
Eine Psychologin erklärt, warum Menschen viel Geld zahlen, um in Lebensgefahr zu geraten.
«Das ist keine Fahrt in Disneyland. Das ist Mutter Natur. Das Meer ist gnadenlos», sagt der Physiker Michael Guillen. «Alles wird für Touristen zugänglich gemacht, und ich fürchte, wenn es um Geld geht und man mit Nervenkitzelsuchenden da draussen Gewinn machen kann, die bereit sind, das Geld zu zahlen, ist das ein Rezept für eine Katastrophe.»
Ganz tief hinab zum berühmten Wrack der «Titanic» und ganz weit hinauf auf den Mount Everest, oder sogar bis ins All: Es scheint in der Tat genügend Menschen zu geben, die den ultimativen Nervenkitzel suchen. Dafür bezahlen sie häufig viel Geld und nehmen grosse Risiken auf sich – wie die fünf Menschen an Bord des verschwundenen Tauchbootes «Titan», nach dem derzeit in der Nähe des «Titanic»-Wracks im Nordatlantik gesucht wird.
Der Physiker Guillen war im Jahr 2000 an Bord eines russischen Boots selbst zu dem berühmten Wrack getaucht. Er geriet dabei nach eigener Aussage in Lebensgefahr. Am Heck sei das Tauchboot in eine schnelle Unterwasserströmung geraten, die es in die riesigen Propeller der «Titanic» gerammt habe, sagte der Wissenschaftler. «Unser U-Boot war im Vergleich zum Propeller wie eine riesige Mücke. Riesige Teile der ‹Titanic› fielen auf uns herab, und ich wusste, dass wir in Schwierigkeiten sind.»
Menschen suchen besondere Herausforderung
Ob reiche Menschen, für die hohe Ticketpreise kein finanzielles Problem darstellen, oder Menschen, die sich das Geld dafür jahrelang zusammensparen: Diese Menschen hätten eine «ganz besondere Risikoneigung», sagt die Berliner Psychologie-Professorin Birgitta Sticher von der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR). Sie suchten das Risiko aktiv und bräuchten den Kick.
«Es geht dabei auch um das Gefühl von Herausforderung und Lebendigkeit. Das kann man als eine Persönlichkeitseigenschaft bezeichnen», sagt Sticher. Das Risiko solcher Unternehmungen gingen diese Menschen mit der Hoffnung darauf ein, als «Sieger» daraus hervorzugehen.
«Wenn man zum Beispiel eine Exkursion so einschätzen würde, dass man sie nicht überleben wird, würde man nicht mitfahren. Ich gehe davon aus, dass die meisten Menschen, die so was tun, auch einen gewissen Technikglauben haben. Eine gewisse Hoffnung, dass es gut gehen wird», so Sticher.
Bei reichen Menschen käme möglicherweise noch hinzu, dass sie zeigen wollten, dass sie mit ihrem Geld etwas tun könnten, was anderen nicht möglich sei.
Erinnerungsfoto oder Selbstbestätigung als Motivation
Dazu kommt als Motivation für manche Menschen vielleicht ein Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde, ein Erinnerungsfoto oder einfach die persönliche Selbstbestätigung. Andere Menschen sind aus wissenschaftlicher Neugier unterwegs – und tragen auf diese Art und Weise auch schon seit Jahrhunderten zur Erkundung und Vermessung der Welt und des Weltalls und damit zum wissenschaftlichen Fortschritt bei.
Waren es früher meist Forschungsreisende, die ihre Unternehmungen selbst organisierten und finanzierten, ist das Angebot des ultimativen Nervenkitzels in den vergangenen Jahren näher an den Mainstream gerückt. So gibt es gleich mehrere Firmen, die Menschen, die keine ausgebildeten Astronauten sind, für kürzere oder längere Ausflüge ins All befördern. Darunter sind beispielsweise Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos oder SpaceX von Elon Musk.
Weltraum-Kurztrip sind extrem riskant
Der britische Unternehmer Hamish Harding, der sich an Bord des verschwundenen Tauchboots «Titan» befindet, hatte sich im vergangenen Jahr einen Weltraum-Kurztrip mit Blue Origin gebucht. Medienberichten zufolge kosten diese Ausflüge rund 30 Millionen Dollar (etwa 26,8 Millionen Franken).
Die bemannte Raumfahrt gilt allerdings nach wie vor auch als technisch extrem schwierig und riskant. Nur wenige Monate nach dem All-Trip von Harding stürzte eine Rakete von Blue Origin kurz nach dem Start ab, glücklicherweise ohne Menschen an Bord.
Ausflüge zur «Titanic» stark nachgefragt
Den Mount Everest, mit rund 8849 Metern höchster Berg der Welt, erreichten alleine in diesem Jahr nach ersten Schätzungen bereits mehr als 600 Bergsteiger mit ihren einheimischen Bergführern und Gepäckträgern. Mindestens zwölf Menschen starben dabei. Dass die Bergsteiger Tausende Dollar für den Aufstieg bezahlen müssen, ist der Natur egal.
Auch die Nachfrage nach Ausflügen zum berühmten Wrack der «Titanic» ist gross. 2021 habe die Firma Oceangate Expeditions mit dem jetzt verschollenen Tauchboot «Titan» das Wrack sechsmal erreicht und 2022 siebenmal, sagte CEO Stockton Rush im vergangenen Jahr. Die Kosten für ein Ticket liegen bei rund 250'000 Dollar.