Bund, Länder und Kommunen dürften ihre Aufträge nur noch an Firmen vergeben, die Tariflöhne zahlten, forderten deutsche Gewerkschaftsvertreter am Mittwoch auf mehreren Kundgebungen. Zigtausende Menschen gingen auf die Strasse, um Forderungen wie diese zu unterstützen.
In diesem Jahr nahmen an den 481 Veranstaltungen zum Tag der Arbeit laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) bundesweit 381'500 Menschen teil. In mehreren Städten gab es zudem Proteste gegen Auftritte rechtsextremer oder rechtspopulistischer Gruppen. Vielerorts verknüpften die Gewerkschaften ihre Veranstaltungen auch mit Freiluftpartys.
Knapp vier Wochen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament standen die Kundgebungen unter dem Motto «Europa. Jetzt aber richtig!«. DGB-Chef Reiner Hoffmann forderte ein sozialeres Europa, das seinen Bürgern Schutz und Sicherheit bietet und für bessere Lebensbedingungen sorgt.
Auch Verdi-Chef Bsirske rief zur Beteiligung an der aus seiner Sicht richtungweisenden Wahl auf. Klimawandel, Finanzkrisen, Flüchtlingsbewegungen, Terrorismus und internationale Handelskonflikte erforderten ein Mehr an Zusammenarbeit, erklärte er in Hamburg.
Inhaltlich geprägt waren die Kundgebungen von der wachsenden Digitalisierung in vielen Betrieben und der schwindenden Bedeutung von Tarifverträgen. Hoffmann mahnte, durch Digitalisierung, Globalisierung und Klimawandel werde sich die Arbeitswelt rasant verändern. «Diesen Strukturwandel dürfen wir nicht alleine den Märkten und Unternehmen überlassen.» Dazu würden finanzielle Spielräume für öffentliche Investitionen gebraucht – und nicht die Abschaffung des Solidaritätszuschlags und eine Schuldenbremse.
Warnung vor neuem Prekariat
Justizministerin Katarina Barley (SPD) warnte vor der Entstehung eines neuen Prekariats durch die Digitalisierung. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betonte zugleich, Arbeitnehmer müssten die Digitalisierung nicht fürchten. «Nach allem, was wir wissen, wird uns in Deutschland auch in Zukunft die Arbeit nicht ausgehen», sagte er.
Hoffmann legte bei der zentralen Kundgebung seiner Organisation in Leipzig ein besonderes Augenmerk auf Ostdeutschland. Es sei noch immer nicht gelungen, gleichwertige Lebensverhältnisse zwischen Ost und West herzustellen. «Es kann doch nicht länger angehen, dass in vielen Betrieben drei, vier Stunden länger gearbeitet wird als im Westen», sagte er laut Redemanuskript.
Parallel zu den Mai-Kundgebungen der Gewerkschaften sind in zahlreichen deutschen Städten am Mittwoch auch rechte und linke Demonstranten auf die Strassen gegangen. Die Polizei hielt die Teilnehmer in Sachsen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen mit Grossaufgeboten auseinander. In Hamburg und Berlin sollten die grossen linksradikalen Demonstrationen erst am Abend durch die Strassen ziehen.
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