Öffentlicher Dienst Zuwanderung kann Fachkräftemangel nur teilweise entschärfen

fach, sda

7.7.2022 - 10:00

IT-Fachleute sind so gefragt, dass laut Bundesbehörden selbst der europäische Arbeitsmarkt bald ausgeschöpft ist. (Symbolbild)
IT-Fachleute sind so gefragt, dass laut Bundesbehörden selbst der europäische Arbeitsmarkt bald ausgeschöpft ist. (Symbolbild)
Keystone

Die Schweizer Wirtschaft hat sich von der Corona-Krise erholt und kämpft trotz Personenfreizügigkeit mit dem Fachkräftemangel. In der IT-Branche sind laut den Bundesbehörden sogar die Rekrutierungsmöglichkeiten im Rahmen der Personenfreizügigkeit ausgeschöpft.

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Zu diesen Schlüssen kommt das «Observatorium zum Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU» in einem Bericht, den das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Donnerstag publiziert hat.

Demnach erreichte die Arbeitslosigkeit im Frühjahr 2022 sowohl für die einheimischen als auch die ausländischen Erwerbspersonen das Vorkrisenniveau erstmals wieder und unterschritt dieses in der Folge.

Fachkräftemangel in der IT spitzt sich zu

Damit hat sich das Problem des Fachkräftemangels laut Bericht in verschiedenen Wirtschaftszweigen wieder akzentuiert. Eine vertiefte Analyse widmete das Observatorium der IT-Branche. Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung habe die Anzahl Erwerbstätiger in diesem Bereich seit 2010 um sechzig Prozent zugenommen.

Der Bedarf ist nach wie vor hoch, für Firmen wird es aber immer schwieriger, an geeignetes IT-Personal zu kommen. Das inländische Arbeitskräftepotenzial sei in diesem Bereich praktisch ausgeschöpft, so das Observatorium. Die Erwerbsbeteiligung lag demnach im Jahr 2021 bei 92,2 Prozent und die Arbeitslosenquote bei tiefen 1,6 Prozent.

Fast jede zweite Stelle in diesem Bereich sei deshalb mit ausländischen Fachkräften besetzt worden, heisst es im Bericht. Ohne Zuwanderung wäre das Wachstum demnach kaum zu bewältigen gewesen. Es gebe sogar Hinweise darauf, dass trotz bereits sehr hohen Löhnen selbst die Rekrutierungsmöglichkeiten im Rahmen der Personenfreizügigkeit mittlerweile ausgeschöpft sei. Bereits in den vergangenen Jahren hätten die Firmen deshalb vermehrt auf Arbeitskräfte aus Drittstaaten wie den USA, Grossbritannien oder Indien gesetzt.

Das Problem könnte sich laut Seco sogar noch verschärfen. Da sich die Digitalisierung weiter fortsetzen werde, bleibe auch der Bedarf nach entsprechenden Arbeitskräften hoch. Gleichzeitig steige auch im Ausland der Bedarf nach solchen Fachkräften, die Konkurrenzsituation könnte sich also zuspitzen. Zudem gelten IT-Fachleute als vergleichsweise mobil, viele liessen sich nicht dauerhaft in der Schweiz nieder.

Ausländer stärker von Corona tangiert

So schwierig es für Firmen auch sein mag, wenn sie bei der Rekrutierung von Fachkräften Mühe haben: Der Fachkräftemangel ist auch ein Indiz dafür, dass es der Schweizer Wirtschaft relativ gut geht. In der Tat kam das Observatorium zum Schluss, dass sich insbesondere der Arbeitsmarkt gut von der Covid-Krise erholt hat.

Zu Beginn der Corona-Krise sei die Arbeitslosenquote von Ausländerinnen und Ausländern deutlich stärker gestiegen als jene von Schweizerinnen und Schweizer. Zudem hätten sich Ausländer auch häufiger aus dem Arbeitsmarkt zwischenzeitlich zurückgezogen.

Das Observatorium erklärte die Differenz mit der unterschiedlichen Betroffenheit der Branchen. Namentlich im von der Krise stark tangierten Gastgewerbe seien überdurchschnittlich viele Ausländer beschäftigt. Schweizer seien im Gegenzug im Bereich Erziehung und Unterricht, in der öffentlichen Verwaltung sowie im Gesundheits- und Sozialwesen beschäftigt – in Branchen also, die gegenüber der Covid-Krise robust waren.

Zuwanderung proportional zur Wirtschaft

Die turbulente Wirtschaftsentwicklung während der Corona-Krise war auch an den Wanderungsbewegungen abzulesen, wie der Bericht weiter ausführt. 2020 seien Auswanderungen und noch stärker Einwanderungen aus dem EU-/Efta-Raum deutlich zurückgegangen, wobei vor allem der Rückgang bei Kurzaufenthaltern einen entlastenden Effekt auf den Arbeitsmarkt gehabt habe. Insgesamt sei das Einwanderungssaldo betreffend EU-/Efta-Raum 2020 mit 29'500 Personen relativ tief gewesen. Bereits 2021 stieg es wieder an und betrug 35'900 Personen.

Der Wanderungsüberschuss gegenüber Drittstaaten lag 2021 mit 26'600 Personen sogar über dem langjährigen Schnitt. Das Observatorium interpretierte das als «kompensatorische Gegenbewegung», weil das Saldo im Vorjahr auf tiefe 17'400 gefallen gewesen sei.