Attacke auf Salman RushdieJournalist suchte die Ruhe und war plötzlich mitten im Geschehen
Von David Bauder, AP
13.8.2022 - 10:12
Salman Rushdie – ein Leben in Angst
Der britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie lebt seit Jahrzehnten mit Todesdrohungen. Die Fatwa, die der Iran gegen ihn ausgesprochen hat, wurde nie aufgehoben. Nun wurde der 75-Jährige bei einer Veranstaltung attackiert und schwer verletzt.
13.08.2022
Eigentlich wollte der Reporter Joshua Goodman in einem idyllischen Teil des US-Staats New York Abstand von den Nachrichten gewinnen. Stattdessen berichtete er mit seinem Mobiltelefon kurzerhand live über den Angriff auf Rushdie.
DPA, Von David Bauder, AP
13.08.2022, 10:12
13.08.2022, 13:27
dpa
Dem AP-Journalisten Joshua Goodman war nach Ruhe und Pause von den Nachrichten zumute. Er reiste mit seiner Famlie zur Chautauqua-Institution im Westen des US-Staats New York, die für Rückzugsmöglichkeiten bekannt ist. Er mietete sich ein Haus auf dem Anwesen.
Am Freitag besuchte er einen Vortrag mit dem Schriftsteller Salman Rushdie, bei dem dieser angegriffen wurde. Goodman, der als Korrespondent für Lateinamerika zuständig ist, hatte nur sein Mobiltelefon zur Hand, um über den Vorfall zu berichten. Per Zufall wurde Goodman Augenzeuge eines unerwarteten Ereignisses.
«Es war sehr surreal, ist die einzige Möglichkeit, es zu beschreiben», sagte Goodman. «Das war der letzte Ort, an dem du so etwas erwarten würdest.» Ein Ort, an dem die meisten nicht mal ihre Haustüren abschliessen würden in der Nacht, wie er auf Twitter ausführt.
Chautauqua is where seekers young and old come to learn, reflect and kiss the summer sun. Most don’t even lock their cottage doors at night.
This tragedy has shattered that innocence. But Rushdie wouldn’t want that noble mission to end. @chq https://t.co/ZvzzBvXaij
Die Chautauqua-Institution liegt mehr als eine Stunde Autofahrt von der nächstgelegenen Grossstadt, Buffalo, entfernt. Dort können sich Besuchende einer spirituellen Reflexion unterziehen und sich weiterbilden. Goodman nutze seinen Aufenthalt, um segeln zu lernen.
Am Donnerstagabend (Ortszeit) rösteten er und seine Familienangehörigen Marshmallows und beobachteten einen Vollmond über dem Lake Chautauqua. Der Rushdie-Termin war vor Ort ein Highlight der Woche. Kurz vor dem Beginn traf der 46-jährige Goodman an dem dafür vorgesehenen Amphitheater ein.
«Es gab einen Schockmoment. Jeder im Publikum sass ungläubig da.»
Joshua Goodman
AP-Journalist
Im Publikum war bekannt, dass es gegen Rushdie Todesdrohungen gegeben hatte – im Iran gab es ein Kopfgeld in Höhe von mehr als drei Millionen Dollar. Das hatte mit Rushdies Buch «Die satanischen Verse» zu tun.
Besucher witzelten, sie wollten lieber nicht in der ersten Reihe sitzen. Goodman sagte, vor Ort habe es kaum Sicherheitsvorkehrungen gegeben.
Rushdie wurde gerade vorgestellt, als der Angreifer auf die Bühne kam und ihn angriff. Goodman konnte von seinem Platz im Publikum nicht erkennen, ob Rushdie geschlagen wurde oder auf ihn eingestochen wurde. Doch dann sah er offenbar Blut. «Es gab einen Schockmoment», sagte Goodman. «Jeder im Publikum sass ungläubig da.»
Das Publikum wurde evakuiert, Goodman blieb
Als die Polizei mit einem Polizeihund und andere Helfer zur Bühne eilten, wurde Goodman bewusst, was passierte. Er ging in den Reporter-Modus über. Per E-Mail kontaktierte er Redakteure bei der Nachrichtenagentur AP und ging zur Bühne. Obwohl er und die anderen Besucher aufgefordert wurden, wegzugehen, blieb Goodman. Er machte Fotos und befragte Augenzeugen.
Erst nach etwa einer Stunde konnte er über das nachdenken, was er erlebt hatte. Der Angriff sei eines der schlimmsten Dinge gewesen, bei denen er jemals dabei gewesen sei. «Es war so brutal und vorsätzlich», sagte Goodman. «Es macht mir keinen Spass, Zeuge einer Tragödie zu werden. Es macht mir aber Spass, andere zu informieren.»