News Karneval, Kamelle, Klimaschutz – Geht das zusammen?

dpa

17.2.2020 - 10:32

Karneval und Klimaschutz – passt das zusammen? Umweltschützer kritisieren, dass vieles, das Feiernde von den Wagen werfen, liegenbleibt oder ungenutzt im Müll landet. Wie der Karneval der Zukunft aussehen könnte, erprobt eine Grundschule.

Karnevalszüge wecken den Jagdinstinkt vieler Narren. Ob der Tag ein Erfolg war, wird oft daran bemessen, wie viele prall gefüllte Tüten Süsskram man nach Hause schleppt. Dort wandert die Beute nach ein paar Wochen überwiegend in den Müll.

Und damit nicht genug: Allein in der Karnevalshochburg Köln landen über die Festtage rund 500 Tonnen Abfall auf den Strassen, wie das Festkomitee Kölner Karneval mitteilt. Passt so eine Materialschlacht in die Zeit der grossen Klimaproteste?

Diese Frage stellte sich auch die Grundschulrektorin Maria Cloot-Schmich (47). Seit 19 Jahren zieht Weiberfastnacht die Katholische Grundschule im Ort Kommern bei Euskirchen mit einem eigenen Karnevalszug durch die Strassen. Im vergangenen Jahr hat die Schule erstmals auch einen Umwelttag organisiert. Er soll am ersten Samstag nach Karneval stattfinden. Rektorin Cloot-Schmich sagte sich: «Das macht ja eigentlich keinen Sinn. Erst den Müll schmeissen, um ihn dann wieder einzusammeln.» Deshalb traf sie die Entscheidung, dass der Karneval in Kommern künftig ohne Kamelle stattfinden soll.

«Dann kam die Welle.» Wochenlang habe es Kritik gehagelt. Es folgten eine Petition von einem Kegelclub aus dem Ort, Banner vor der Schule und Hasskommentare im Netz. «Da war schon ein Angstgefühl», erzählt Cloot-Schmich. Sie habe zwar geahnt, dass das Thema Umweltschutz polarisiere – aber nicht in diesem Ausmass.

Karnevalsexperte und Buchautor Wolfgang Oelsner hat dafür eine Erklärung: «Viele glauben, dass bestimmte Freiräume, für die der Karneval steht, enger werden.» Karneval stehe ja gerade für eine Auszeit vom normalen, kontrollierten Leben – man darf mal über die Stränge schlagen. Und das soll jetzt auch noch eingeschränkt werden? «Da kann es auch mal sein, dass die unschuldige Kamelle eine Symbolrolle bekommt und das Fass zum Überlaufen bringt», sagt Oelsner.

Das Festkomitee Kölner Karneval ist nicht der Meinung, dass man das Kamellewerfen so einfach abschaffen kann. Denn der Brauch reicht tief in die Geschichte des Narrentums zurück: Er imitiert die «huldvolle Geste des Münzwerfens, wie es früher bei Triumphzügen üblich war». Man wolle mit der Kamelle vor der Fastenzeit noch einmal mit «demonstrativer Völlerei sündigen». Dennoch, in der jüngeren Vergangenheit sei das Thema Umweltschutz verstärkt in den Fokus des Festkomitees geraten, sagt eine Sprecherin.

Und das gilt nicht nur für Köln. Auch in anderen Fastnachts-, Faschings- und Karnevalsregionen rücken Umweltthemen heute stärker in den Blick, wie der Experte Rainer Holzhauser, Ehrenmitglied der Vereinigung Badisch-Pfälzischer Karnevalvereine in Speyer, erklärt. «Das unbeugsame Mädchen gegen den Klimawandelleugner aus Amerika – das ist sicherlich eine Beachtung wert», sagt er über die schwedische Klimaschützerin Greta Thunberg und US-Präsident Donald Trump als Figuren für Büttenreden und Motivwagen 2020.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) glaubt, dass man Karneval so und so feiern kann: Grundsätzlich stellten alle Grossveranstaltungen, etwa auch Fussballspiele, eine Umweltbelastung dar. Aber: «Karneval macht mehr Spass, wenn man umweltfreundlich feiert», sagt ein Sprecher. Man könne beispielsweise Öko-Strom nutzen, Tauschbörsen für Karnevalskostüme einrichten, Mehrwegbecher und Schalen anbieten und verpackungsärmere Kamellen werfen. So könne man «Tradition und Umweltschutz zusammendenken».

In der Grundschule in Kommern wollte die Schulleiterin nach der Empörungswelle nach einer Lösung suchen, mit der alle leben können. Also einigten sich Dorf und Schule darauf, nicht das Kamellewerfen an sich zu streichen, sondern die Tradition umweltbewusster zu gestalten. Dafür habe die Schule bei einer lokalen Bäuerin kleine Bio-Äpfel vorbestellt und bei der örtlichen Bäckerei 1000 Berliner in Auftrag gegeben. Zudem sollen die Kinder Samentütchen gegen das Bienensterben verteilen. 120 Kilo Saatgut und 12 000 kleine Papptütchen seien schon bestellt.

Die vergangenen Wochen seien hart gewesen, gibt Cloot-Schmich zu. Aber jetzt ist sie doch froh: Weil das Thema auf dem Tisch ist. «Weil wir doch genau wissen, dass wir bei uns selbst anfangen müssen.»

Homepage der Grundschule

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