Aufklärerin der Nation Legendäre Sexualtherapeutin Ruth Westheimer ist tot

dpa

13.7.2024 - 18:01

Die winzig kleine Deutschamerikanerin Ruth Westheimer veränderte die Art und Weise, wie in US-Medien über Intimes geredet wurde. Nun ist die Pionierin der Sexualaufklärung gestorben.

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  • Die weltberühmte Sex-Therapeutin Ruth Westheimer ist tot.
  • Die US-Amerikanerin starb Freitagabend (Ortszeit) im Alter von 96 Jahren.
  • Die gebürtige Frankfurterin wurde im Alter von 10 Jahren von ihren Eltern in die Schweiz geschickt, um der Kristallnacht zu entkommen.

Die berühmte deutsch-amerikanische Sexualtherapeutin Ruth Westheimer ist tot. Sie sei am Freitag in ihrem Zuhause in New York City im Kreise ihrer Familie gestorben, teilte ihr Manager und Freund Pierre Lehu mit. Westheimer wurde 96 Jahre alt. In den USA galt die in Frankfurt am Main aufgewachsene Therapeutin als eine Pionierin der Sexualaufklärung, deren Sendungen Kultstatus erlangten.

In den Vereinigten Staaten sorgte ihre ebenso unterhaltsame wie kurzweilige Radiosendung «Sexually Speaking» Anfang der 80er Jahre für Furore. Freimütig gab die Psychologin und Soziologin mit einer Körpergrösse von 1,40 Meter Tipps zum Thema Sex und Leidenschaft, ohne Urteile über Anruferinnen und Anrufer zu fällen.

«Sagen Sie ihm, dass Sie nicht den ersten Schritt machen werden», riet sie etwa einer besorgten Anruferin im Juni 1982. «Sagen Sie ihm, dass Dr. Westheimer gesagt hat, dass er nicht sterben wird, wenn er eine Woche lang keinen Sex hat.»

Unverblümten Herangehensweise an das Thema Sex

Der Erfolg ihrer Radioshwo öffnete Westheimer neue Türen, sodass sie 1983 ihr erstes von mehr als 40 Büchern schrieb: «Dr. Ruths Guide to Good Sex». In dem Werk klärte sie mit einer Mischung aus Humor und Nüchternheit über Sexualität auf.

Dass die Worte «Penis» und «Vagina» im Radio und Fernsehen in den USA ohne Piepton zu hören waren, war Westheimer zu verdanken, die ihr mit hessischem Dialekt gefärbtes Englisch bis ans Ende beibehielt. In den Latenight-Talkshows war die Sexualtherapeutin häufig zu Gast, was ihren landesweiten Ruhm weiter beförderte. «Wenn wir uns dazu bringen könnten, über sexuelle Aktivität auf die Art und Weise zu sprechen, wie wir über Ernährung sprechen, wie wir über Essen sprechen, ohne dass dabei der Beiklang mitschwingt, dass daran etwas falsch ist, dann wären wir einen Schritt weiter. Aber wir müssen es mit gutem Geschmack machen», sagte sie 1982 in der Tonight-Show von Johnny Carson.

Verfechterin der Monogamie

Westheimer verteidigte das Recht auf Abtreibung und warb eindringlich für die Nutzung von Kondomen, galt aber zugleich als Verfechterin der Monogamie. In den 1980er Jahren setzte sie sich auf dem Höhepunkt der Aids-Epidemie für Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle ein. Sie müsse Menschen, die einige rechte Christen als «Untermenschen» betrachteten, wegen ihrer eigenen Vergangenheit verteidigen, sagte sie.

Als Ruth Karola Siegel kam sie 1928 als Kind jüdischer Eltern zur Welt. Im Alter von zehn Jahren schickten ihre Eltern sie in die Schweiz, um sie vor den in Nazideutschland organisierten Pogromen im November 1938 zu schützen. Ihre Eltern sollte sie nie wieder sehen. Westheimer ging davon aus, dass sie in Auschwitz ermordet wurden. Mit 16 Jahren zog sie nach Palästina, wo sie sich der zionistischen Untergrundorganisation Hagana anschloss. Dort wurde sie als Scharfschützin ausgebildet, schoss aber damals nach eigenen Angaben auf niemanden.

Bei einer Bombenexplosion trug sie schwere Verletzungen an ihren Beinen davon, viele ihrer Freunde wurden getötet. Später ging sie nach Paris, wo sie an der renommierten Sorbonne studierte. Mitte der 50er Jahre siedelte sie in die USA über, wo sie sich in New York City niederliess. Westheimer war drei Mal verheiratet.