Bolivien Richter ordnet Haft für Oppositionschef an

dpa

30.12.2022 - 21:07

Luis Fernando Camacho, Oppositionsführer in Bolivien, wurde verhaftet.
Luis Fernando Camacho, Oppositionsführer in Bolivien, wurde verhaftet.
Bild: Juan Karita/AP/dpa

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Politiker Luis Fernando Camacho vor, mit Massenprotesten 2019 einen Putsch versucht zu haben. Er sieht sich als Opfer politischer Verfolgung.

In Bolivien hat ein Richter vier Monate Untersuchungshaft für Oppositionsführer Luis Fernando Camacho angeordnet. Es bestehe Flucht- und Verdunklungsgefahr, erklärte Richter Sergio Pacheco am Freitag und stimmte damit den Argumenten der Staatsanwaltschaft zu. Kurz nach der Gerichtsanhörung wurde Camacho, der auch Gouverneur von Santa Cruz ist, in ein Hochsicherheitsgefängnis gebracht. Die Inhaftierung wegen Terrorismusvorwürfen wird voraussichtlich weitere Unruhen in Bolivien hervorrufen.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem rechtsgerichteten Politiker Camacho einen Putsch im Jahr 2019 vor, die Opposition spricht lediglich von Protesten, die zum Rücktritt des damaligen Präsidenten Evo Morales führten. Den Massenprotesten vorausgegangen waren Wahlen, bei denen es nach Angaben der Organisation Amerikanischer Staaten Betrug gegeben hatte. Vertreter der katholischen Kirche in Bolivien sagten, ein Putsch 2019 habe «niemals existiert». In Wahrheit habe es «einen friedlichen Aufstand der Bevölkerung von Santa Cruz» angesichts Wahlbetrug gegeben.

Unruhen auf den Strassen

Morales selbst lobte Camachos Festnahme und forderte: «Die Gerichte sollten auch die Komplizen Camachos anklagen, damit sich solche Putschversuche niemals wiederholen.»

Noch während der mehr als siebenstündigen Gerichtsanhörung begann ein 24-Stunden-Streik, den Anhänger Camachos in Santa Cruz ausgerufen hatten. Ausserdem gab es Strassenblockaden in der wohlhabenden Region, die als Wirtschaftsmotor Boliviens gilt. Mit Stand Freitagnachmittag verlief der Streik friedlich.

Eine Sprecherin von UN-Generalsekretär António Guterres teilte mit, der UN-Chef sei besorgt über die Lage in Bolivien. Er rufe zur Ruhe auf. Guterres erinnere daran, dass Gerichtsverfahren transparent ablaufen müssten, liess die Sprecherin Florencia Soto Niño-Martínez wissen.

37 Menschen bei Protesten getötet

Camacho war am Mittwoch festgenommen worden. Bereits dies führte zu Protesten und Zusammenstössen zwischen Demonstranten und der Polizei, wobei öffentliche Gebäude und Autos angezündet wurden. Ein Minister der amtierenden Regierung teilte mit, sein Haus sei ebenfalls in Brand gesteckt worden.

Andere Demonstranten feierten die Festnahme Camachos. Sie argumentierten, damit bekämen die Opfer der Unruhen von 2019 Gerechtigkeit. Bei den rund dreiwöchigen Protesten wurden 37 Menschen getötet. Nach den Protesten wurde Jeanine Áñez Übergangspräsidentin. Sie wurde inzwischen zu zehn Jahren Haft verurteilt. Auch gegen andere Mitglieder der Opposition wurden Vorwürfe erhoben.

Camachos Verteidigung bezeichnete die Festnahme als illegal, drang damit vor Gericht aber nicht durch. Vor der Festnahme war Camacho wiederholt nicht zu einer Befragung durch die Staatsanwaltschaft erschienen. Er bezeichnete sich als Opfer einer politischen Verfolgung.

«Ich werde diesen Kampf für die Demokratie in Bolivien niemals aufgeben», sagte Camacho vor Gericht. Bolivien dürfe keine Diktatur wie Kuba oder Venezuela werden.