Bisher nur drei Zusagen7800 Afghanen bitten um Asyl in der Schweiz
SDA/phi
6.10.2021
7800 Menschen aus Afghanistan haben ein Gesuch für ein humanitäres Visum in der Schweiz gestellt. Bewilligt worden sind bisher aber nur drei der Anträge.
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06.10.2021, 16:39
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Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat bisher 7800 Anfragen von Personen aus Afghanistan erhalten, die ein Gesuch für ein humanitäres Visum stellen möchten. In drei Fällen gab das SEM einen positiven Bescheid für solche Voranfragen.
«Das SEM hat bisher keine formellen Gesuche um Erteilung von humanitären Visa behandelt», teilte die Behörde am Mittwoch auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Diese Gesuche müssten bei einer Schweizer Auslandvertretung eingereicht werden.
Bisher habe das SEM «rund 7800 Mails erhalten von Personen aus Afghanistan, die gerne ein solches Gesuch stellen würden.» Es handle sich um Voranfragen. Das SEM bestätigte damit einen Bericht von Radio SRF. Bei den meisten Anfragen ging es demnach um Familienangehörige.
Das SEM nimmt nach eigenen Angaben bei den Anfragen eine Einschätzung vor, ob die Kriterien für die Erteilung eines humanitären Visums erfüllt sein könnten. Die Einschätzung habe keine rechtliche Wirkung. «Wir haben also keine Gesuche abgelehnt, und es sind auch keine Gesuche pendent» schreibt das SEM.
Bisher nur drei Zusagen
In den meisten Fällen belegten die Informationen und allfällige Dokumente aus Sicht des SEM nicht, dass die Kriterien für ein humanitäres Visum erfüllt sein könnten. «In drei Fällen gehen wir davon aus, dass die Kriterien erfüllt sein könnten.»
Insbesondere zwei Kriterien müssen laut SEM erfüllt sein. So müsse die betreffende Person glaubhaft machen können, dass ihr eine konkrete und unmittelbar lebensbedrohende Gefahr drohe.
Die Zugehörigkeit zu einer möglicherweise gefährdeten Gruppe genüge nicht. Auch die Machtübernahme der Taliban als solche sei nicht ausreichend. Weiter müsse ein enger Bezug zur Schweiz nachgewiesen werden. Bei Ehegatten oder minderjährigen Kindern könne «allenfalls» ein Familiennachzug stattfinden.
Kritik an restriktiver Praxis
Humanitäre Visa, Familienzusammenführung und Resettlement sind drei verschiedene Möglichkeiten von legalen und sicheren Fluchtwegen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) fordert, dass die Schweiz die Erteilung von humanitären Visa erleichtert und Familienzusammenführungen beschleunigt, um afghanische Geflüchtete aufzunehmen.
Die aktuelle Praxis in Bezug auf humanitäre Visa sei äusserst restriktiv, teilte die SFH auf Anfrage mit. Die Schweiz vergebe kaum humanitäre Visa. Der Ermessensspielraum werde sehr eng ausgelegt.
Die SFH begrüsst, dass das SEM Voranfragen für humanitäre Visa prüft. Bereits Mitte August hatte die SFH gefordert, dass Angehörige oder andere Kontaktpersonen in der Schweiz das Gesuch um ein humanitäres Visum für eine Vorprüfung vorab schriftlich beim SEM einreichen können.
Keine Schweizer Botschaft
Denn die Flucht zu einer Schweizer Botschaft in einem Nachbarstaat sei für gefährdete Personen in Afghanistan sehr riskant und schwierig. Die Schweiz hat derzeit keine Vertretung in Afghanistan.
Aus Sicht der SFH sollen zudem vorläufig Aufgenommenen dasselbe Recht auf Familienzusammenführung haben wie anerkannten Flüchtlinge, denn sie hätten einen vergleichbaren Schutzbedarf und blieben erfahrungsgemäss langfristig in der Schweiz.
Heute bestehen für vorläufig Aufgenommene eine dreijährige Wartefrist für die Familienzusammenführung sowie ökonomische Auflagen wie Sozialhilfeunabhängigkeit und eine genügend grosse Wohnung.
Beschränkungen nicht mit Menschenrechten vereinbar
«Die bestehenden Beschränkungen sind nicht mit den Menschenrechten vereinbar – insbesondere mit Blick auf die Europäische Menschenrechtskonvention und die Kinderrechtskonvention», schreibt die SFH.
Der Hochkommissar des Uno-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Filippo Grandi, hat die Schweiz Ende September gebeten, im Rahmen des Resettlements zusätzliche afghanische Flüchtlinge aus einem Nachbarland Afghanistans aufzunehmen. Resettlement-Flüchtlinge sind bereits vom UNHCR anerkannt.
Es handelt sich um besonders verletzliche Geflüchtete ohne Zugang zu lebensnotwendiger Grundversorgung und grundlegenden Rechten, etwa Frauen, Kinder und Familien. Auch die SFH spricht sich für eine zusätzliche Aufnahme von Resettlement-Flüchtlingen aus.