Tierversuchverbot «Mit einem Ja würde die Schweiz gänzlich auf einen Corona-Impfstoff verzichten»

SDA

10.3.2021 - 11:29

Rats in a cage, pictured in a laboratory in Switzerland on September 26, 2018. Researchers at this laboratory conduct research on animals with a focus on laboratory mice for a better understanding of disease mechanisms. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
Bild: Keystone

Allen Fraktionen des Nationalrats geht radikales Tierversuchsverbot zu weit. Während die einen sich für einen Gegenvorschlag aussprechen, halten andere die hiesige Gesetzgebung zu Tier- und Menschenversuchen für ausreichend.

Keystone-SDA, SDA

Im Nationalrat bekommt die Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot» keine Unterstützung. Auch wenn die Fraktionen das Anliegen für berechtigt halten, ist ihnen ein absolutes Tierversuchsverbot zu radikal. 

Die Vorlage verlangt ein bedingungsloses Verbot von Tier- und Menschenversuchen. In der Verfassung sollen Tierversuche als Quälerei und Verbrechen eingestuft werden. Bestehende oder neue Produkte, für die Tierversuche durchgeführt werden müssten, dürfen weder gehandelt noch ein- oder ausgeführt werden.

Güterabwägung muss möglich bleiben

«Mit einem Ja zur Initiative würde die Schweiz gänzlich auf einen Impfstoff gegen das Coronavirus verzichten», sagte Christian Wasserfallen (FDP/BE). Dasselbe würde beispielsweise für moderne Krebstherapien gelten. Für Therapien und Medikamente müssten die Menschen in der Schweiz ins Ausland reisen.

SVP-Sprecher Andreas Gafner (BE) verwies auf bisherige Anstrengungen für den Ersatz von Tierversuchen. Die Gesetzgebung zu Tier- und Menschenversuchen in der Schweiz seien ausreichend.

Im Namen der Mitte-Fraktion fügte Lilian Studer (EVP/AG) hinzu, dass Güterabwägungen möglich sein müssten zwischen der Belastung der Tiere und dem potenziellen Nutzen eines Versuches für den Menschen. «Forschung an Tier und Mensch bleibt nie ganz wegzudenken.»

Forschung ohne Tiere unterstützen

SP, Grüne und GLP lehnen die Initiative zwar ebenfalls ab, wollen ihr aber einen Gegenvorschlag entgegenstellen, entweder direkt – in der Verfassung – oder indirekt auf Gesetzesebene. Im Zentrum dieser Gegenentwürfe stehen Ausstiegsszenarien und der Verzicht auf Versuche, bei denen die Tiere starke Schmerzen oder Angst erleiden.

Ein Paradigmenwechsel weg vom Tierversuch sei im Gespräch, warb Meret Schneider (Grüne/ZH) für den direkten Gegenvorschlag. Grund sei nicht das Mitleid für die Tiere, sondern dass Ergebnisse von Tierversuchen nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragbar seien.

Öffentliche Mittel sollen demnach primär an Forschungsprojekte gehen, die ohne Versuchstiere auskommen. Auf internationaler Ebene müsste sich der Bund für die Förderung von Forschung ohne Tierversuche stark machen. Ebenso müsste er sich dafür engagieren, dass Methoden ohne Tierversuche validiert werden.

SP spricht sich gegen belastende Tierversuche aus

Valentine Python (Grüne/VD) beantragte im zweiten, von SP, Grünen und GLP unterstützen Antrag einen indirekten Gegenvorschlag für einen verbindlichen Ausstiegsplan aus den Tierversuchen. Die Vorlage soll deshalb an die Kommissionen für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-N) zurückgewiesen werden mit dem Auftrag, eine Kommissionsinitiative für den indirekten Gegenvorschlag auszuarbeiten.

Der Bundesrat habe zwar ein Forschungsprogramm lanciert, um Tierversuche durch alternative Methoden zu ersetzen, die Zahl der Versuche zu senken und Versuchstiere weniger zu belasten. «Das ist aber lediglich eine befristete Massnahme», begründete Python die Forderung nach Gesetzesvorgaben.

Unterstützung erhielt sie von der SP. Ein Ausstieg aus belastenden Tierversuchen sei für die SP zentral, sagte Matthias Aebischer (BE). Bei solchen Experimenten litten die Tiere starke Schmerzen oder Angst.

Mehrheit will keinen Gegenvorschlag

Die GLP will die 3R-Forschung (Replacement, Reduction, Refinement) vorantreiben, die einen Ersatz von Tierversuchen, eine Verminderung von deren Zahl und für die Tiere weniger Belastungen zum Ziel hat. Mit einem Einzelantrag fordert Katja Christ (GLP/BS) gesetzliche Grundlagen, damit dieser Forschungszweig mehr Ressourcen erhält.

Die vorberatende WBK-N beantragt der grossen Kammer einstimmig, die Initiative abzulehnen, auch der Bundesrat lehnt sie ab. Sie befürchten negative Folgen für den Forschungsplatz Schweiz. Die Kommissionsmehrheit ist auch gegen einen direkten oder indirekten Gegenvorschlag.

Hinter der Initiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt» stehen St. Galler Bürger. Unterstützt wird die Initiative von rund 80 Organisationen und Unternehmen. Darunter sind Vertreter von SP und Grünen sowie Tierschutzgruppen und Tierparteien.