20 Jahre «Bilaterale I» Als die Schweiz Ja sagte zum ewigen Gezerre mit der EU

Von Tobias Bühlmann

21.5.2020

Am 21. Mai 2000 nahm die Schweiz die bilateralen Verträge mit der EU an – die Diskussion darüber war damit aber keineswegs am Ende.
Am 21. Mai 2000 nahm die Schweiz die bilateralen Verträge mit der EU an – die Diskussion darüber war damit aber keineswegs am Ende.
Symbolbild: Keystone/Martin Ruetschi

Die Beziehungen der Schweiz mit der EU stehen unter Druck – einmal mehr. Denn die Kritik an den bilateralen Verträgen mit der Union ist nie verstummt – auch nicht 20 Jahre nach dem ersten klaren Ja dazu.

Am 21. Mai 2000 hat die Schweiz einen grossen Schritt auf die EU zugemacht: An diesem Tag hat das Schweizer Volk die erste Tranche der Bilateralen Verträge mit der EU, genannt Bilaterale I, angenommen. Und hat damit allem voran Ja gesagt zur Einführung der Personenfreizügigkeit mit den Staaten der EU – ein Thema, das die Schweiz bis heute beschäftigt.

Dass die Schweiz damit ihre Türen geöffnet hat für Arbeitskräfte aus den Staaten der Europäischen Union, sorgt immer wieder für Diskussionen – und Abstimmungen. Doch die Personenfreizügigkeit ist nur einer von sieben Teilen des Vertragspaket.

Am Anfang des bilateralen Wegs stand ein Nein der Schweizerinnen und Schweizer an der Urne: Am 6. Dezember 1992 fiel der Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum, kurz EWR, durch und verpasste dem Bundesrat damit eine empfindliche Niederlage. Weil die Landesregierung aber trotzdem sicherstellen wollte, dass die Schweiz am Binnenmarkt der Europäischen Gemeinschaft teilhaben kann, trat sie in Verhandlungen mit Brüssel.

Ein deutliches Ja an der Urne

Die Union willigte 1993 ein, in sieben Bereichen mit der Schweiz über Abkommen zu verhandeln – unter der Bedingung, dass diese Dossiers parallel ausgehandelt und als Paket abgeschlossen würden. Das Resultat der jahrelangen Verhandlungen waren schliesslich die Bilateralen I. Sie umfassten neben der Personenfreizügigkeit die Bereiche technische Handelshemmnisse, öffentliches Beschaffungswesen, Landwirtschaft, Land- und Luftverkehr sowie Forschung.

Die Abkommen kamen am 21. Mai 2000 zur Abstimmung und wurden mit einem Ja-Anteil von über 67 Prozent gutgeheissen. Das überaus deutliche Ja bedeutete allerdings nicht, dass ab da alles klar war: Die Gegner der Personenfreizügigkeit – vor allem jene der rechten Helfe des Politspektrums – wehrten sich weiterhin dagegen und forderten eine Kündigung oder Neuverhandlung.

Das Problem dabei: Die Abkommen wurden als Paket verhandelt und abgeschlossen. Will die Schweiz (oder die EU) eines davon künden, werden wegen der enthaltenen Guillotineklausel auch die anderen hinfällig – wobei die Gegner sich von dieser Lesart nicht überzeugt geben.

Mehrfach ausgeweitet

Trotz Widerstand vor allem vonseiten der SVP, aber auch der Arbeitnehmervertreter ist die Personenfreizügigkeit mehrfach auf weitere EU-Mitgliedsländer ausgeweitet worden. Fünf Jahre nach den Bilateralen I hat das Schweizer Volk zudem seinen Segen gegeben für die zweite Tranche der Verträge. Diese regelte allem voran der Beitritt zu den Abkommen von Schengen, also die Abschaffung der Grenzkontrollen zur EU sowie ein, und Dublin, das regelt, welcher Staat für den Asylantrag eines Schutzsuchenden zuständig ist.

Im Jahr 2014 nahm die Schweizer Bevölkerung die Initiative «Gegen Masseneinwanderung» der SVP an. Diese richtet sich direkt gegen die in den Bilateralen I festgelegte Personenfreizügigkeit, indem sie vorschreibt, dass die Schweiz nur so viele Ausländer einwandern lässt, wie es im gesamtwirtschaftlichen Interesse des Landes liegt. 

Bilateraler Weg stösst an Grenzen

Der Weg, das Verhältnis zur EU mit bilateralen Verträgen zu regeln, ist bereits seit einigen Jahren an Grenzen gestossen: Die EU fordert von der Schweiz schon länger ein institutionelles Rahmenabkommen. Damit käme die Schweiz weg von den statischen Verträgen, die sie bisher geschlossen hat, hin zu einer dynamischeren Beziehung mit der EU, bei der die Regelungen der Union schneller auch hierzulande zur Anwendung kämen.

Weiterer Druck auf die bilateralen Verträge kommt zudem durch die sogenannte Kündigungsinitiative der SVP: Diese fordert explizit, dass die Personenfreizügigkeit mit der EU zu künden und neu zu verhandeln sei. Erklärtes Ziel dabei ist es, dass die Schweiz klare Grenzen setzen soll bei der Zuwanderung. Abgestimmt wird über diese Vorlage am 27. September dieses Jahres.

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