Böser Verdacht in Küssnacht SZVerseucht ein Golfplatz das Trinkwasser seiner Nachbarn?
smi
15.6.2023
Das Quellwasser in Küssnacht SZ weist zu hohe Konzentrationen an einem seit 2020 verbotenen Pflanzengift auf. Anwohner*innen verdächtigen einen Golfplatz. Dieser weist jede Verantwortung von sich.
smi
15.06.2023, 15:41
15.06.2023, 16:37
smi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Bauern in Küssnacht SZ beschuldigen den Betreiber eines Golfplatzes, ihr Trinkwasser mit einem Pflanzengift zu belasten.
Sie hätten deswegen gesundheitliche Probleme und zwei Tiere seien gestorben.
Der Betreiber des Golfplatzes weist jede Schuld von sich. Das Pflanzenschutzmittel komme nicht mehr zum Einsatz.
Der Bund hat das Mittel Chlorothalonil verboten. Ob es der Gesundheit wirklich schadet, ist aber nicht klar.
Otto Müller, pensionierter Landwirt aus Küssnacht SZ, hatte Bauchschmerzen und übermässigen Harndrang. Gleich erging es seinem Kollegen Adolf Niederberger aus derselben Gemeinde. Diesem ist zudem eine Kuh gestorben. Toni Diener hat ein Kalb verloren. Dies berichten sie dem «Blick».
Grund dafür sei das Quellwasser, sind die drei Küssnachter Bauern überzeugt. Die Untersuchung des Wassers zeigt tatsächlich: Der Grenzwert für das Pestizid Chlorothalonil wird bei allen drei deutlich überschritten. Bei Müller um das 13-Fache, bei Niederberger um den Faktor 14 und bei Diener beläuft sie sich sogar auf das 33-Fache.
Zudem haben Müller, Niederberger und Diener dem «Blick» erzählt, dass in der Nachbarschaft in den letzten zwei Jahren mehrere Frauen an Brustkrebs erkrankt seien. Ob ein Zusammenhang zum Wasser bestehe, sei unklar.
Otto Müller hat gehandelt. Er hat sein Haus an die Wasserversorgung der Gemeinde anschliessen lassen. Seither ist er seine Beschwerden los. Der Anschluss kostete ihn 15'000 Franken.
Chlorothalonil schützte landwirtschaftlich genutzte Pflanzen seit den 1970ern vor Pilzbefall. Seit 2020 ist es in der Schweiz verboten. Hingegen darf der Bund das Fungizid aufgrund eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr als «wahrscheinlich krebserregend» bezeichnen. Geklagt hatte der Hersteller des Pflanzenschutzmittels, der Schweizer Konzern Syngenta.
Die drei Küssnachter sind sicher, dass das Chlorothalonil ihre Beschwerden und Verluste verursacht hat. Und auch, woher dieses in ihr Quellwasser gelangt ist: aus dem Golfplatz oberhalb des Dorfs Küssnacht am Rigi. Die Gemeinde und der Kanton hätten sie abgewimmelt, geben sie dem «Blick» zu Protokoll. Deshalb haben sie den Betreiber des Golfplatzes angezeigt, wegen Verschmutzung des Grundwassers.
Joseph Schuler, Leiter des 18-Loch-Kurses, weist die Verantwortung auf Anfrage von «Blick» von sich. Seit 2020 komme auf der Anlage kein Chlorothalonil mehr zum Einsatz. Zudem sei nicht erwiesen, dass die Rückstände im Quellwasser vom Golfplatz stammen. Schuler betont, die Gesundheit von Mensch und Tier stehe in seinem Betrieb an oberster Stelle. Sich an den Kosten für Otto Müllers Wasseranschluss zu beteiligen, kommt für ihn dennoch nicht infrage.
Chlorothalonil im Schweizer Trinkwasser weit verbreitet
Eine Überprüfung des Bezirks Küssnacht und des Kantons Schwyz habe keine Unregelmässigkeiten ergeben, sagt die Umweltbeauftragte des Bezirks, Stefanie Weiss. Sie hätten Wasser aus zwei Bachausläufen und vier Quellen entnommen. Die betroffenen Quellen seien private Wasserfassungen ohne Schutzzonen. Die öffentliche Verwaltung habe deshalb keine Handhabe, etwas zu unternehmen.
Stefanie Weiss fügt an, dass der Grenzwert für Chlorothalonil nicht rechtsgültig sei. Es stehe in dieser Sache ein Urteil des Bundesgerichts aus.
Ob und wie gesundheitsgefährdend die Reste von Chlorothalonil im Trinkwasser sind, ist also umstritten. Das Bundesamt für Landwirtschaft hatte 2019 vier Abbauprodukte des Pflanzenschutzmittels in einem Gutachten als «nicht relevant» bezeichnet.
Klar ist hingegen, dass sich das Fungizid oder dessen Abbauprodukte auch noch im Wasser befinden, obwohl das Mittel seit Anfang 2020 nicht mehr verwendet wird. Das Bundesamt für Umwelt hat im August 2022 geschrieben, es sei damit zu rechnen, dass Chlorothalonil noch während Jahren im Wasser nachweisbar sein werde. 2020 zeigten 60 Prozent der Schweizer Trinkwassermessstellen Belastung mit Abbauprodukten des Fungizids an.