Bilanz nach einem Jahr Asylgesuche dauern laut Bund neu 231 Tage kürzer – wie kommt's?

aka/SDA

6.2.2020

Mario Gattiker, der Staatssekretät des Staatssekretariat für Migration (SEM), informiert über die beschleunigten Asylverfahren.
Mario Gattiker, der Staatssekretät des Staatssekretariat für Migration (SEM), informiert über die beschleunigten Asylverfahren.
Bild: Screenshot PK

Seit einem Jahr werden die meisten Asylgesuche im beschleunigten Verfahren behandelt. Die erste Bilanz lässt aufhorchen: Asylverfahren dauern laut Bund neu im Schnitt 49 Tage, vorher waren es 280 Tage.

Das Wichtigste in Kürze

- Der Bund informierte vor den Medien über die beschleunigten Asylverfahren. «Die Bilanz nach elf Monaten? Das neue Asylsystem funktioniert noch nicht perfekt, aber es funktioniert», sagte Mario Gattiker, der Staatssekretär des Staatssekretariats für Migration (SEM). 

- Nach durchschnittlich 49 Tagen liege der Asylentscheid des SEM vor.  Vorher hatten die Asylverfahren im Durchschnitt 280 Tage in Anspruch genommen.

- Die Beschwerdequote liege bei knapp 35 Prozent, das sei nur wenig mehr als früher.

- Von anderen Playern geäusserte Kritik an den beschleunigten Verfahren erwähnte das SEM nicht. Das SEM stehe politisch unter Druck und sei überambitioniert, hatte diese Woche etwa die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) in einem Interview in der «NZZ» kritisiert.

Der Ticker

10.25 Uhr: Das war's

Die Vertreter des Staatssekretariat für Migration (SEM) beenden die Pressekonferenz.

10.15 Uhr: Journalisten stellen nun Fragen

Nun können die Journalisten Fragen stellen. Wie sieht es mit sogenannten renitenten Asylbewerbern aus, will jemand wissen. «Es ist richtig, dass wir das Asylzentrum für sogenannt renitente Asylbewerber stillgelegt haben», sagt Gattiker vom SEM. Es sei nicht so, dass es keine Renitenten mehr gäbe, aber der Aufwand für den Unterhalt eines solchen Zentrums stehe in keinem Verhältnis zum Nutzen. Denn: Bei diesen Fällen liege «die Priorität bei der Wegweisung». 



In welche Länder gehen die Ausweisungen, lautet eine nächste Frage. Gattiker zählt auf: Etwa nach Georgien, Algerien, Albanien, Nigeria, in die Türkei oder in den Irak.  «Es ist ein bunter Mix von vollzugseinfachen und vollzugsschwierigen Staaten.» 

10.00 Uhr: «Dublin funktioniert»

Die Aussage, Dublin funktioniere nicht, sei falsch, sagt Mario Gattiker vom Staatssekretariat für Migration (SEM). «Heute haben wir ein Asylsystem, das sich gut eingespielt hat. Etwa mit einer sehr guten Rückkehrquote», zieht Gattiker Bilanz. Im Vergleich zu Europa sei man damit sehr gut positioniert.

9.55 Uhr: Die Qualität der Asylentscheide sei entscheidend

Man bewege sich im Spannungsfeld zwischen medizinischer Abklärung und der verkürzten Frist, sagt Gattiker. Immer bleibe dabei die Qualität der Asylentscheide entscheidend. Der Bund optimiere hier laufend. 

Ein effizientes Asylverfahren nütze allerdings nichts, so Gattiker, wenn Rückführungen nicht vollzogen würden. «Wenn es sein müsse, auch unfreiwillige.» Die Bilanz sei positiv – eine Zunahme von mehr als 30 Prozent bei der freiwilligen Ausweisung.

9.45 Uhr: «Völlig klar, das nicht alles reibungslos läuft»

Das SEM hatte zu Beginn der Flüchtlingskrise 30'000 Asylgesuche, sagt Gattiker, 5'600 Asylgesuche seien es aktuell, bis im Herbst würden diese Asylgesuche vollständig abgearbeitet sein. Es sei eine überaus komplexe Umstrukturierung gewesen – die Informatik habe komplett neu gestaltet werden müssen. «Völlig klar, das nicht alles reibungslos läuft.» Herausforderungen liegen bei medizinischen Abklärungen. Ärzte zu finden in den kanppen Fristen, das sei herausfordernd.

Man könne es sich nicht leisten, Personen zu übersehen, nur weil die Frist kurz sei. Das sei eine Herausforderung, sagt Gattiker.



9.30 Uhr: Die Pressekonferenz beginnt

«Die Bilanz nach elf Monaten? Das neue Asylsystem funktioniert noch nicht perfekt, aber es funktioniert», sagt Mario Gattiker, der Staatssekretär des Staatssekretariats für Migration (SEM). Nach durchschnittlich 49 Tagen liege der Asylentscheid des SEM vor. Die Beschwerdequote liege bei knapp 35 Prozent, das sei nur wenig mehr als früher.

Blick in die Eingangkontrolle des Bundesasylzentrums Zürich.
Blick in die Eingangkontrolle des Bundesasylzentrums Zürich.
Bild: Keystone

Ausgangslage

Der Bund informiert über die beschleunigten Asylverfahren: Nach Angaben des Staatssekretariats für Migration (SEM) können diese im Durchschnitt innerhalb von 49 Tagen abgeschlossen werden. Dublin-Verfahren, bei welchen ein anderer Staat für das Asylgesuch zuständig ist, dauern im Schnitt nur 35 Tage.

Mit den kurzen Verfahren bleibt das SEM weit unter dem Limit. Gemäss dem geänderten Asylgesetz dürfen diese bis zu 140 Tagen dauern. Vorher hatten die Asylverfahren im Durchschnitt 280 Tage in Anspruch genommen.

Während beschleunigten oder Dublin-Verfahren halten sich die Asylsuchenden in einem Bundesasylzentrum auf. Nur in jedem fünften Fall kam es im Lauf des letzten Jahres zu einem erweiterten Verfahren, wie das SEM am Donnerstag mitteilte. Diese dauerten im Durchschnitt 100 Tage. Nur für das erweiterte Verfahren werden die Asylsuchenden einem Kanton zugewiesen.



Ungelöste Probleme

Auch zu den freiwilligen Ausreisen zieht das SEM eine positive Bilanz. Die Zahl sei um rund einen Drittel gestiegen, heisst es in der Mitteilung. Ein Grund ist das neu angewandte System: Je früher sich jemand zur Ausreise entschliesst, desto höher fällt die Unterstützung aus.

Zudem werden die Asylsuchenden von einer Rechtsvertretung früh über ihre Perspektiven informiert und haben jederzeit Zugang zur Rückkehrberatung. Auch mit den Ergebnissen des unentgeltlichen Rechtsschutzes zeigte sich das SEM zufrieden, obwohl ein etwas grösserer Anteil der Entscheide vor Bundesverwaltungsgericht angefochten wird als früher.

Noch läuft das System allerdings nicht reibungslos. So ist es nach Angaben des SEM schwierig, in allen Asylregionen genügend Ärztinnen und Ärzte zu finden, die innerhalb der knappen Fristen vertiefte medizinische Abklärungen vornehmen können. Auch bei der Zusammenarbeit mit den Rechtsvertreterinnen und -vertretern gelte es, die Abläufe und Prozesse weiter einzuspielen und zu optimieren.

Kritik der Flüchtlingshilfe

Das Stimmvolk hatte die Asylrechtsreform im Frühjahr 2016 mit fast 67 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) hatte die Gesetzesänderung unterstützt. Von der Umsetzung ist die Organisation nicht nur begeistert. In einem am Dienstag in der «NZZ» publizierten Interview kritisierte SFH-Direktorin Miriam Behrens das Vorgehen des SEM.

Das SEM stehe politisch unter Druck und sei überambitioniert, sagte sie. Die Behörde fokussiere derzeit fast nur aufs Tempo. Bei der Fairness beziehungsweise der Qualität der Verfahren gebe es deshalb Probleme. Das führe zu mehr erfolgreichen Beschwerden, was die Verfahren wiederum verlängere.

Laut Behrens betrug die Rückweisungsquote - Verfahren, bei denen das SEM noch einmal über die Bücher muss - in den ersten sechs Monaten 16,8 Prozent. Im alten Verfahren sei sie bei durchschnittlich 4,8 Prozent gelegen.

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