Erkältungswelle Muss ich mich bei triefender Nase bereits testen lassen?

Von Andreas Fischer

1.11.2021

Bei typischen Erkältungssymptomen empfehlen Ärzte, umgehend einen Corona-Test machen zu lassen.
Bei typischen Erkältungssymptomen empfehlen Ärzte, umgehend einen Corona-Test machen zu lassen.
Bild: Christin Klose/dpa-tmn

Die Corona-Zahlen steigen weiter und in der Schweiz beginnt die Schnupfensaison. Mehr Menschen als üblich haben Erkältungssymptome. Musst du nun jedes Mal zu Hause bleiben, wenn du leicht verschnupft bist?

Von Andreas Fischer

1.11.2021

Halsweh, Schnupfen, Husten und manchmal etwas Fieber: Wenn die Temperaturen sinken, steigt die Zahl der Atemwegsinfektionen. Normalerweise macht man sich über Erkältungen keine grossen Gedanken.

Im zweiten Corona-Winter ist das anders. Zumal, wenn zahlreiche Hausarztpraxen mehr Patient*innen mit den entsprechenden Symptomen behandeln als im vergangenen Jahr, wie Philippe Luchsinger, Präsident des Verbands der Haus- und Kinderärzte, «20 Minuten» bestätigt.

Was bedeutet das für dich? Musst du bei jedem Niesen zum Testzentrum? Darfst du mit einer Schnupfennase noch zur Arbeit? Und was passiert, wenn auch noch die Grippewelle beginnt? blue News hat nachgefragt.

Wird die Erkältungswelle wirklich heftiger als im Vorjahr?

Davon ist prinzipiell auszugehen, antwortet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Anfrage von blue News. Der Grund dafür sei «die Reduktion der Kontaktbeschränkungen». Dadurch würden «Erkältungskrankheiten in diesem Herbst und Winter häufiger auftreten».

Die vergangene Saison sei ein spezielles Jahr gewesen, da die Covid-Massnahmen in der Schweiz und Europa die Verbreitung von Erkältungen und Grippeviren stark eingeschränkt haben. Aus diesem Grund habe es deutlich weniger Fälle als normal gegeben. Auch in diesem Winter werde das Ausmass der Erkältungen unter anderem davon abhängen, wie stark die Massnahmen gegen die Pandemie aufrechterhalten werden.

Wie unterscheiden sich Corona- und Erkältungssymptome?

«In der Praxis sehe ich Personen ohne Symptome, die zum Beispiel während eines Ausbruchs untersucht und positiv getestet werden. Andere haben für Covid-19 sehr typische Symptome, etwa Geschmacksverlust, werden dann aber negativ getestet», erklärt Professor Sven Streit von der Uni Bern, der im Berner Mittelland eine Praxis führt und blue News als Hausarzt antwortet.

«Symptome für eine Corona- oder andere Viruserkrankung (Erkältung) können also sehr ähnlich sein.» Daher hält Streit Testen für hilfreich. Dabei sollte jedoch kein Selbsttest, den man in den Apotheken beziehen kann, verwendet werden. Dieser sollte nur verwendet werden, wenn man keine Symptome hat. Bei Symptomen empfiehlt Streit einen Antigen-Schnelltest (nasopharyngeal) oder einen PCR-Test.

Sollte ich bei Erkältungssymptomen erst einmal zu Hause bleiben und abwarten?

«Besser ist es, einen PCR-Test zu machen», erklärt der Zürcher Mediziner Felix Huber, Präsident der mediX Ärztenetze, im Gespräch mit blue News. Für Sven Streit ist es «ein guter Rat, weiterhin vorsichtig zu sein und bei Symptomen nicht zusätzliche Personen potenziell anzustecken». Das Bundesamt für Gesundheit möchte auch die Weitergabe anderer viraler Atemwegserkrankungen limitieren, «weil bei jeder Symptomatik ein Covid-19-Verdachtsmoment entsteht und entsprechende Kontakt- und Ausbruchsabklärungen notwendig werden können», so die Begründung.

Ich bin zwar verschnupft, aber geimpft: Sollte auch ich mich bei den ersten Symptomen testen lassen?

Felix Huber sagt: «Ja, mit einem PCR sollte eine Covid-19-Infektion ausgeschlossen werden.» Sven Streit ist derselben Meinung: «Bei Symptomen, die auch bei einer Covid-19 Infektion auftreten können, melden Sie sich für einen Test in der Apotheke, bei der Hausärztin oder im Testzentrum. Sagen Sie, ob und wie sie geimpft sind.»

Auch das BAG sagt klar: Wer Symptome einer Atemwegserkrankung hat, sollte sich auf Covid-19 testen lassen. «Die Kosten werden vom Bund übernommen», versichert BAG-Sprecher Yann Hulmann. «Bei positivem Ergebnis ist eine zehntägige Isolation beziehungsweise bei länger bestehenden Symptomen eine Isolation bis zum Abklingen der Symptome indiziert.» Bei negativem Test solle man sich bis 24 Stunden nach Abklingen der Symptome isolieren.

Darf ich mit einer Erkältung zur Arbeit gehen, ohne – auch als Geimpfter – getestet worden zu sein?

«Viele verstehen Unterschiedliches bei einer Erkältung. Sind Symptome da, die mit Covid-19 im Zusammenhang stehen könnten, melden Sie sich besser für einen Test an», sagt Streit. Es sei wichtig, andere zu schützen, sich an die gültigen Hygiene- und Schutzmassnahmen zu halten.

Reichen die Testkapazitäten aus, um einen Ansturm bei einer andauernden Erkältungswelle zu bewältigen?

Der Bund geht davon aus, dass die Testkapazitäten ausreichen. «Die PCR-Testkapazitäten liegen aktuell deutlich über denjenigen vor einem Jahr», so BAG-Sprecher Hulmann. Mindestens 60'000 bis 70'000 Tests seien pro Tag möglich. «Dazu kommen die – auch durch den Einsatz des Zertifikats – sehr grossen Testkapazitäten mit Antigen-Schnelltests, auf welche auch bei Erkältungswellen zurückgegriffen werden kann.»

Ein weiteres Problem im anstehenden Winter ist die Grippe: Wie gefährlich wird sie?

Mit dieser Frage beschäftigen sich die Hausärzte sehr. «Wir empfehlen die Grippeimpfung, wie sie vom BAG auch vor der Pandemie empfohlen wurde», sagt Sven Streit. «In der Praxis betreuen wir viele Personen, die ein hohes Risiko haben, auch an einer Grippe schwer zu erkranken oder im schlimmsten Fall zu versterben. Diesen Menschen empfehlen wir die Grippeimpfung besonders.»

Ob die Grippe in diesem Jahr häufiger auftritt? «Das würden wir gern alle wissen.» Im vergangenen Jahre habe Streit sehr viel mehr Impfungen bestellt und verimpft. «Als dann sehr viel weniger Personen an einer Grippe erkrankten, stellte sich diesen Frühling beim Bestellen die Frage, wie viel und ob mehr Dosen bestellt werden sollten.» Eine Antwort auf diese Frage könne nur die Zeit zeigen.

Dass das Grippevirus im vorigen Winter nur in geringem Umfang in Erscheinung trat, bedeutet nicht, dass die Grippe nicht mehr ernst zu nehmen ist, mahnt auch das BAG. Entsprechend wird die Grippe-Schutzimpfung Menschen mit einem erhöhten Risiko von Komplikationen und ihren Angehörigen ausdrücklich empfohlen.

Die Grippeimpfung kann gleichzeitig mit der Covid-Impfung erfolgen. Der nationale Grippe-Impftag findet am 5. November statt. An diesem Tag können sich Impfwillige in vielen Arztpraxen und Apotheken für einen Pauschalpreis von 30 Franken gegen die Grippe impfen lassen.