Umsatzrückgänge und Maskenpflicht Schwören wir jetzt wegen der Coronakrise dem Make-up ab?

Von Jennifer Furer

28.8.2020

Die Lippenstiftverkäufe sind in der Schweiz zurückgegangen.
Die Lippenstiftverkäufe sind in der Schweiz zurückgegangen.
Getty Images

Die Umsätze bei Make-up-Produkten sind wegen der Coronakrise eingebrochen – auch in der Schweiz. Wieso nicht nur Homeoffice der Grund ist und was Lippenstifte über unser aller Konsumverhalten aussagen.

Aufstehen, zum Waschbecken laufen, Zähne putzen, Make-up drauf, Mascara auftragen sowie Eyeliner ziehen und Lippenstift auf die Lippen streichen: Was für viele Frauen zur morgendlichen Routine gehörte, hat sich durch die Coronapandemie grundlegend verändert.

Das zeigt unter anderem eine erst kürzlich veröffentlichte Untersuchung des Beratungsunternehmens Mc Kinsey & Company. Sie kommt zum Schluss: Wegen des Homeoffice, der körperlichen Distanz und des Tragens von Masken ist es viel weniger wichtig geworden, Make-up und Düfte zu tragen.

Zudem: In der Covid-19-Krise ist das Make-up-Tragen angesichts des Verlustes von Arbeitsplätzen sowie Ersparnissen und allgemein wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den Hintergrund gerückt.

Lippenstift als Index für Konsumverhalten

Prestigemarken verzeichnen Umsatzrückgänge von 55 bis 75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mc Kinsey & Company schätzt, dass die Einnahmen der globalen Schönheitsindustrie im Jahr 2020 um 20 bis 30 Prozent sinken könnten.

Zwar rechnet das Beratungsunternehmen mit einer schrittweisen Erholung – diese werde aber nur langsam erfolgen. Grund: Die wirtschaftliche Lage der Menschen und das Maskentragen hält weiterhin davon ab, Make-up zu verwenden.

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Ein Indikator für diese Entwicklung ist der Verkauf von Lippenstiften. Leonard Lauder von der Kosmetikfirma Estée Lauder prägte den Begriff «Lippenstiftindex», um dieses Phänomen zu beschreiben.

Der Absatz von Lippenstift kann demnach stellvertretend für den Absatz für Kosmetika insgesamt gesehen werden. Der «Lippenstiftindex» sei denn auch ein Mass, um die Kaufkraft und die allgemeine Stimmung der Verbraucher zu erfassen – auch in Krisenzeiten.

Tatsächlich ist der Verkauf von Lippenstiften auch in der Schweiz rückläufig, wie eine Umfrage bei Unternehmen zeigt. Nebst Migros, Coop und der Import Parfümerie stellt etwa Manor eine Abnahme fest. «Ja, es macht sich eine Abnahme von Lippenkosmetik erkennbar», sagt Manor-Sprecherin Sofia Conraths.

Auch im Make-up-Bereich zeige sich eine abnehmende Tendenz. «Diese ist darauf zurückzuführen, dass die Kundinnen weder ins Büro noch ins Nachtleben gehen können und konnten», sagt Conraths. Der Verkauf von Parfüm sei hingegen stabil geblieben.

Mehr Zeit für die Pflege

Susanne Hagmann, Sprecherin bei der Import Parfümerie, stellt fest, dass während der Coronakirse ein Bedürfnis besteht, sich etwas zu gönnen. «Mit der Wiedereröffnung der Verkaufsstellen spürten wir einen grossen Nachholbedarf.»

Dabei steht aber nicht primär das Schminken im Vordergrund, sondern vor allem die Köper- und Haarpflege. «Die Kunden und Kundinnen haben mehr Zeit um ihre Haut zu pflegen», sagt Manor-Sprecherin Sofia Conraths.

Handcremes und Haarprodukte hoch im Kurs

Auch die Migros hat eine Veränderung im Konsumverhalten festgestellt, wie Migros-Sprecher Marcel Schlatter sagt. Die Nachfrage nach Produkten wie Seifen, Handcremes, Colorationen und Produkte zur Haarentfernung sei gestiegen.

Das sei zum einen auf die vorübergehende Schliessung der Coiffeur- und Kosmetikgeschäfte zurück zu führen. Zum anderen seien die Handcremes wegen des vermehrten Händewaschens mehr nachgefragt worden.

Bei der Migros habe es auch Kategorien gegeben, welche deutlich weniger nachgefragt wurden. «Beispielsweise Travel-Size-Artikel aufgrund der geringeren Reisetätigkeiten der Bevölkerung oder Dekorationskosmetik aufgrund der Entfernung aller Tester-Produkte aus Hygienegründen», so Sprecher Schlatter.

Liegt seit dem Lockdown hoch im Kurs: selber Haare färben.
Liegt seit dem Lockdown hoch im Kurs: selber Haare färben.
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Nebst Haar- und Pflegeprodukten sind derzeit auch Augenkosmetika wie Mascara und Eyeliner überdurchschnittlich gefragt. Dass derzeit Wert auf die obere Partie des Gesichts gelegt wird, stellte auch das Beratungsunternehmen Mc Kinsey & Company fest.

In China berichtete der Onlinehändler Alibaba, dass die Verkäufe von Augenkosmetika von Monat zu Monat um 150 Prozent gestiegen seien. Grund: Statt auf die Lippen, die wegen des Maskentragens weniger zu sehen sind, werde mehr Wert auf die Augen gelegt.

So krass wie in China ist das Ausmass in der Schweiz aber nicht. Philippe Vetterli von Aldi Suisse sagt: «Momentan gilt die Maskentragpflicht ja vorwiegend in den öffentlichen Verkehrsmitteln und in einigen Kantonen in den Läden.» Zudem, so Vetterli: «Die Pflege des Äusseren scheint auch zu Zeiten von Corona nach wie vor einen hohen Stellenwert bei der Schweizer Bevölkerung einzunehmen.»

Online-Verkauf boomt weiterhin

Eine Beobachtung lässt sich aber generell festhalten. Wie in anderen Lebensbereichen ist die Beauty-Branche während Corona digitaler geworden – insbesondere während des Lockdowns. Franziska Gämperle von Gloubus sagt: «Online lief Beauty überdurchschnittlich gut.» Auch hier lag der Fokus auf Pflege- und Self-Care-Produkten.

Auch Daniel Rei vom Onlineshop Brack.ch bestätigt: «Die Nachfrage nach Beauty-Produkten ist gestiegen.» Vor allem die Verkäufe von Produkten für Haarpflege, insbesondere Haartönungen, seien während des Lockdowns stark gestiegen. Das habe sich seit Aufhebung der Schutzmassnahmen Mitte Mai aber etwas normalisiert.

Trotzdem: Auch Brack.ch spüre eine Veränderung im Konsumverhalten. «Unsere Interpretation ist, dass mehr Leute auf den Geschmack gekommen sind, wie bequem es ist, online einzukaufen», sagt Rei. Er geht davon aus, dass sich der Umsatz weiterhin auf höherem Niveau als vor dem partiellen Lockdown entwickelt. «Das gilt insgesamt, also auch für unser Beauty-Sortiment.»

Möglicherweise möge das auch daran liegen, dass die Leute während des Lockdowns mehr oder weniger zu Hause waren und sich überdurchschnittlich viel Zeit genommen haben, für und an sich selbst Gutes zu tun.

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