Rechtsprofessor fordert Chefs sollen Bewerber fragen dürfen, ob diese geimpft sind

aru/sda

3.9.2021

Pflegepersonal im Berner Insel-Spital kümmern sich auf einer Intensivstation um einen Covid-Patienten. (Archivbild)
Pflegepersonal im Berner Insel-Spital kümmern sich auf einer Intensivstation um einen Covid-Patienten. (Archivbild)
KEYSTONE/PETER SCHNEIDER

Für das Gesundheitspersonal herrscht eine rechtliche Grauzone bezüglich der Covid-Impfung. Ein Rechtsprofessor fordert nun, dass bereits vor der Einstellung nach dem Piks gefragt werden darf.

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3.9.2021

Im europäischen Vergleich dümpelt die Schweizer Impfquote bei tiefen 52 Prozent. Nun wird der Druck auf Ungeimpfte drastisch erhöht. Besonders das Gesundheitspersonal gerät dabei stärker in den Fokus.

Wie SRF heute berichtet, ist die rechtliche Situation besonders in Gesundheitsberufen hinsichtlich der Impfung schwammig definiert.

Dass beispielsweise die Kosten für einen Covid-Test auf die Arbeitnehmenden abgewälzt werden, dazu fehle die rechtliche Grundlage aktuell noch, sagt Roger Rudolph, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Zürich.

Auch dass nur noch Geimpfte eingestellt werden dürfen, sei kaum umsetzbar, sagt er. Nebst dem, dass die rechtlichen Grundlagen fehlen würden, handle es sich beim Impf-Status auch um eine sehr persönliche Angabe, die beim Bewerbungsgespräch nicht zwingend preisgegeben werden müsse, so Rudolph.

Doch gebe es in Gesundheitsberufen durchaus eine sachliche Rechtfertigung, den Status abzufragen. Daher müsse es möglich sein, die Frage nach der Corona-Impfung zu stellen.

Kosten von monatlich bis zu 200 Franken für Personal

Doch nicht nur bei den Neuangestellten gibt es Unklarheiten, wie am Beispiel einer nicht namentlich genannten Spitex-Organisation hervorgeht. Laut internen Mails, die SRF vorliegen, sieht diese zwar von einem Impf-Zwang ab. Doch «Die Verantwortung in Form von Auflagen und finanziellen Folgen» habe jeder Mitarbeitende selber zu tragen. Denn alle hätten die Möglichkeit, sich impfen zu lassen.

Im Detail geht es darum, dass künftige Tests in der Freizeit gemacht und selber bezahlt werden müssen. Bis auf weiteres müssten die Angestellten also mit Kosten von rund 200 Franken monatlich rechnen.

«Druck ist das letzte, das Pflegepersonal nun gebrauchen kann.»

Der Schweizer Berufsverband für Pflegepersonal hält dies für problematisch. Denn Druck sei das letzte, das das Pflegepersonal gebrauchen könne, sagt Sprecherin Roswitha Koch. Zwar stehe man hinter der Impf-Strategie des Bundes, Druck sei aber das falsche Mittel, hält sie fest.

Auch die Geschäftsführerin von Spitex Schweiz findet es nicht in Ordnung, dass Angestellte Tests für ihre Arbeit selber bezahlen müssen. Marianne Pfister sagt: «Impfen ist wichtig, aber freiwillig.»

Derweil macht Genf vorwärts: Am Universitätsspitals müssen sich neu eingestellte Mitarbeiter gegen Covid-19 impfen lassen. Die Massnahme wurde vom Verwaltungsrat des Spitals mit grosser Mehrheit beschlossen und trat am Mittwoch in Kraft.

In Genf sind Keuchhusten-Impfungen vorgeschrieben

Die Impfung der Mitarbeitenden bei der Einstellung sei nun Teil des Arbeitsvertrags, bestätigte das HUG am Dienstag einen Bericht der «Tribune de Genève». Im September würde für alle neuen Mitarbeiter mindestens eine erste Dosis vorgeschrieben, die dann vervollständigt werden müsse, berichtet SRF. Für bereits zuvor eingestelltes Personal gelte die Regelung nicht, doch auch diesen werde «dringend empfohlen», sich impfen zu lassen.

Laut dem HUG seien auch bereits andere Impfungen für Mitarbeitende vorgeschrieben, etwa die gegen Keuchhusten im Kinderspital oder der Gynäkologie. Zudem müsse sich besonders gefährdetes Personal auch gegen Hepatitis impfen lassen.

Die Lage in der Schweiz wird zusehends prekärer. Die Intensivstationen füllen sich allmählich mit ungeimpften Covid-Patient*innen, sodass bereits nicht zwingende Eingriffe verschoben werden müssen. Dies teilten unter anderem die Spitäler der Stadt Zürich gestern mit. Die Intensivstationen in Nidwalden, Glarus und Schaffhausen sind ebenfalls voll belegt.

Durchschnittlich sind Schweizer Intenstivstationen zu rund 80 Prozent ausgelastet. Somit haben die Spitäler noch Kapazitäten, doch geht es nicht um die Anzahl freie Plätze, sondern um das Personal, das knapp wird.

Ein Corona-Patient braucht viel intensivere Pflege, die auch länger andauert. Ein Nicht-Corona-Patient liege durchschnittlich 1,6 Tage auf der Intensivstation, ein Corona-Patient zwischen 10 und 14 Tage, wie der «Blick» schreibt.