Anti-Kapitalismus-DemoBlack-Lives-Matter-Aktivisten bezichtigen Schweizer Linke des Rassismus
Von Jennifer Furer
10.7.2020
Linke Kreise halten am Samstag einen Aktionstag gegen den Kapitalismus ab – und kritisieren dabei die Corona-Politik. Jetzt melden sich schwarze Menschen zu Wort: Sie werfen den Organisatorinnen Rassismus vor.
Black-Lives-Matter-Demo in Winterthur: Fast 300 Personen marschierten letzten Sonntag durch die Altstadt. Sie skandierten Parolen, hoben die Faust. Es sah nach einer friedlichen Demonstration aus, an der weisse und schwarze Menschen auf das Thema Rassismus aufmerksam machten. Doch dem war scheinbar nicht so.
Auf den sozialen Medien äussern sich nun People of Colour (PoC) zu Wort. PoC ist eine Selbstbezeichnung von Menschen mit Rassismuserfahrung, die nicht als weiss, deutsch und westlich wahrgenommen werden und sich auch selbst nicht so definieren. Darunter fallen auch schwarze Menschen.
Online attackieren sie weisse Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Teil eines linken Bündnisses sein sollen. Der Grund: Diese würden strukturellen Rassismus betreiben. Passiert sein soll das «zuletzt an der Black-Lives-Matter-Demo, wo sie versuchten, vorne zu laufen, Parolen anzureissen und damit die Demo zu vereinnahmen», heisst es in einem Beitrag.
Streit um Black-Power-Logo
Eine Auseinandersetzung mit strukturellem Rassismus sei seither nicht wahrnehmbar. Im Gegenteil: Laut der Gruppe Linke People of Colour wird von linken Organisationen weiter Rassismus betrieben – etwa bei der Organisation des Anti-Kapitalismus-Aktionstags. Dieser findet am kommenden Samstag unter dem Motto «Wir tragen eure Krise nicht!» statt, unter anderem in der Stadt Zürich (siehe Box unten).
Die Black-Lives-Matter-Bewegung, die Migrantifa und andere People-of-Colour-Organisationen seien nicht Teil des Bündnisses, die den Aktionstag organisierten und durchführten. «Sie wurden gemäss momentanem Wissensstand auch nicht angefragt», schreiben die Betroffenen.
Der Anti-Kapitalismus-Aktionstag werde von jenem Bündnis getragen, von dem sich einige Mitgliederinnen und Mitglieder auch schon in Winterthur strukturell rassistisch verhalten hätten.
Und genau dieses weisse Bündnis verwendet bei der Bewerbung des Aktionstages und bei der Markierung der Kundgebungsstandorte die erhobene Schwarze Faust und damit das Anti-Rassismus-Symbol. Das widerstrebt den People-of-Colour-Organisationen.
Weisssein sichtbar machen
«Das Logo – und damit unsere antirassistischen Kämpfe – werden von einem wahrscheinlich mehrheitlich weissen Bündnis angeeignet. Dies ist eine rassistische Praxis», lassen sie weiter verlauten. Die Linke People of Colour fordert: «Löscht das Logo und macht euer Weisssein sichtbar.»
Letzteres fordern People of Colour immer wieder. Denn sie sind der Überzeugung, dass weisse Menschen nicht dieselben Diskriminierungserfahrungen machen, privilegiert und ohnehin im öffentlichen Raum übervertreten seien.
Zudem sei Rassismus ein strukturelles Problem, das weisse Personen mittragen, auch ohne böse Absicht. Darüber sollten sich weisse Menschen bewusst sein und ihre rassistische Mitbeteiligung bei der Forderung nach Veränderung transparent machen.
Wenn es um rassistische Unterdrückung geht, sollten weisse Menschen den Marginalisierten Raum lassen – vor allem dann, wenn diese ihre Forderungen selbst genauso effektiv artikulieren könnten.
Die Linke People of Colour stösst sich deshalb auch daran, dass die Organisatorinnen und Organisatoren des Aktionstages den geflüchteten Menschen das Wasser abgraben würden. Denn diese hätten den Aktionstag bereits seit Längerem angekündigt. Dennoch habe das weisse Bündnis keine Koordination herzustellen versucht.
Die Organisatorinnen und Organisatoren des Aktionstags haben sich bis jetzt nicht öffentlich zu den Vorwürfen geäussert – und auch das Logo wurde noch nicht entfernt.
Der Anti-Kapitalismus-Aktionstag
Linke Organisatorinnen und Organisatoren wollen am Samstag an einem Anti-Kapitalismus-Aktionstag darauf aufmerksam machen, dass «im Zuge der Covid-19-Pandemie und der Klimakrise sich die Ausbeutung der Mehrheit der Bevölkerung verstärkt». Mit «systematischer Gewalt» werde der Status quo verteidigt.
Opfer dieser Politik seien unter anderem arbeitslose Menschen, Arbeitnehmende, geflüchtete Menschen und Frauen*, trans, inter und queere Menschen und Kinder (FTIQ+). Mit dem Aufrufen wollten die Organisatorinnen und Organisatoren des Aktionstags, alle Menschen dazu ermutigen, sich zu organisieren oder sich Bestehendem anzuschliessen.
«Nur gemeinsam können wir die Schlagkraft entwickeln, um das bestehende System zu überwinden», heisst es im Aufruf. «Gemeinsam gegen Kapitalismus! Eine andere Welt ist möglich!»
Die Stadtpolizei Zürich sagt auf Anfrage von «Bluewin», dass man Kenntnis von diesem Aufruf habe. «Wir sind entsprechend vorbereitet», sagt Sprecher Marc Surber. Bis jetzt seien keine Anträge auf eine Bewilligung der Standaktionen eingegangen.