CoronabekämpfungBund prüft Blutspenden von schwulen Männern
Von Jennifer Furer
23.7.2020
Der Verband Pink Cross fordert in einer Petition, dass homo- und bisexuelle Männer wie alle anderen Blut spenden dürfen. Die Behörden wollen das nicht – auch, wenn es um die mögliche Bekämpfung des Coronavirus geht.
«Auch wir wollen helfen!»: Pink Cross, der Verband für schwule und bisexuelle Männer, hat genug. Er will, dass auch Männer, die mit Männern Sex haben, Blut spenden dürfen. Die Forderung ist nicht neu, doch sie wird durch das Coronavirus aktueller denn je.
Derzeit sucht die Dachorganisation Blutspende SRK (kurz für: Schweizerisches Rotes Kreuz) Männer, die vom Coronavirus geheilt sind. Grund: Eine neue Therapiemethode will Coronapatienten mithilfe von Blutplasma von geheilten Männern therapieren.
Frauen sind von einer Blutplasma-Spende ausgeschlossen, weil sie aufgrund von Schwangerschaften natürlicherweise Antikörper gegen Gewebemerkmale (HLA-Eigenschaften) bilden können, heisst es in einem Merkblatt des SRK. Wenn solche HLA-Antikörper dem Patienten transfundiert würden, könnten lebensbedrohliche Komplikationen in der Lunge entstehen.
Erhöhtes Risiko für Virenübertragung
Auch einigen Männern bleibt die Blutplasmaspende verwehrt – nämlich jenen, die Sex mit Männern haben. Ausgenommen davon sind homosexuelle oder bisexuelle Männer, die in den letzten zwölf Monaten abstinent gelebt haben.
Das SRK und Swissmedic geben als Grund an, dass homo- und bisexuelle Männer ein erhöhtes Risiko haben, sich mit blutübertragbaren Krankheiten wie HIV oder Hepatitis B und C infiziert zu haben. «Solche Viren werden bei Labortests erst nach einer gewissen Zeit erkannt, was das Risiko, nach einer Blutspende damit angesteckt zu werden, erhöht», sagt SRK-Sprecherin Franziska Kellenberger.
Zwölfmonatige Karenzzeit
Männer mit homosexuellen Kontakten sind laut SRK deutlich häufiger von sexuell übertragbaren Krankheiten betroffen als heterosexuelle Männer, weshalb Blutspende SRK Schweiz zurzeit an den Einschränkungen festhalte. «Die zwölfmonatige Karenzzeit soll sicherstellen, dass das Risiko einer Krankheitsübertragung weiterhin sehr tief bleibt», so Kellenberger.
«Diese Kriterien müssen geändert werden», ist sich Pink Cross sicher. Schwule und bisexuelle Männer seien wegen der Sonderregelung faktisch vom Blut- und Blutplasmaspenden ausgeschlossen –, «obwohl auch unser Blut und Blutplasma Menschenleben retten kann».
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Gerade in der momentanen Krise sei diese Regelung absurd und sie sei vor allem eines: diskriminierend. Denn wissenschaftlich gesehen, gebe es keine Gründe für ein erhöhtes Risiko bei schwulen und bisexuellen Männern. «Aktuelle Studien zeigen, dass das Risiko nicht höher ist, nur weil man mit einem anderen Mann Sex hatte», heisst es bei Pink Cross.
Auch der Vergleich mit dem Ausland zeige: Eine nicht-diskriminierende Regelung, wie man sie beispielsweise in Italien oder Spanien kennt, sei problemlos möglich.
1’638 Menschen unterzeichnen Petition
Die für alle Personen gültigen Kriterien, reichten aus. Sprich: kein wechselnder Sexualpartner in den letzten vier Monaten. «Jede Blutspende wird getestet und eine HIV-Infektion ist spätestens sechs Wochen nach der Infektion nachweisbar.»
In einer Petition fordert der Verband Pink Cross, dass «dieser diskriminierende faktische Ausschluss von schwulen und bisexuellen Männern» in der aktuellen Krise aufgehoben wird. «Die sexuelle Orientierung darf keinen Unterschied machen, ob wir helfen dürfen oder nicht.» Die Petition wurde bereits über 1'638 Mal unterzeichnet. Auch die Aids-Hilfe Schweiz unterstützt das Anliegen.
Laut Pink Cross finden derzeit Diskussionen mit dem Bundesamt für Gesundheit und dem Schweizerischen Roten Kreuz statt – Ausgang offen.
Regionale Engpässe
Auch fernab von Blutplasma-Einsätzen in der Coronabekämpfung könnten Spenden durch homosexuelle und bisexuelle Männer Engpässe vermindern. Solche kommen immer wieder vor. Derzeit sei der Blutvorrat in gewissen Regionen und bei einzelnen Blutgruppen, wie 0-, eher kritisch, wie SRK-Sprecherin Kellenberger auf Anfrage von «Bluewin» sagt.
Auch wegen der Sommerferien könnte es zu regionalen Engpässen kommen. «Betroffene regionale Blutspendedienste rufen derzeit ihre Spender direkt zur Spende auf, sodass ein Engpass verhindert werden kann.» Dadurch, dass weniger Leute ins Ausland fliegen, seien auch mögliche Wartefristen nach Reisen im Ausland nicht so spürbar. Neu gebe es zudem einen Online-Travelcheck, bei dem Interessierte schauen können, ob sie Blut spenden dürfen.
Kein Coronatest vor der Blutspende
Generell sei die Blutversorgung der Schweiz dank der grossen Solidarität von Blutspenderinnen und Blutspendern aber nach wie vor gut – trotz Corona. «Die Solidarität war deutlich spürbar», sagt Kellenberger. Ganz zu Beginn der Pandemie seien jedoch weniger Spender gekommen, weil die Verunsicherung doch gross gewesen sei.
Blutspenden seien in einem sicheren Rahmen möglich. Da das Coronavirus nicht übers Blut übertragen wird, werde vor dem Blutspenden kein Test gemacht. «Es gelten die gleichen Regeln wie bei einer Grippe: Wer Erkältungs- oder Grippesymptome hat, darf nicht zur Blutspende kommen», so Kellenberger. Auch wer mit jemanden in Kontakt war, der Corona hat, darf 14 Tage nicht spenden. Wer das Virus hatte, darf einen Monat nach erfolgter Symptombewältigung wieder Blut spenden.