Ex-Botschafter Rossier Chancen der Schweiz als Vermittlerin sind gering

sda

3.4.2022 - 03:57

Der russische Aussenminister Sergej Lawrow trifft im November 2018 seinen Amtskollegen Ignazio Cassis in Genf (Archiv)
Der russische Aussenminister Sergej Lawrow trifft im November 2018 seinen Amtskollegen Ignazio Cassis in Genf (Archiv)
Bild: Keystone

Die Schweiz wird von Russland inzwischen als «feindseliger Staat» eingestuft. Als Vermittlerin im Krieg in der Ukraine kommt sie damit wohl nicht mehr in Betracht, findet der ehemalige Botschafter der Schweiz in Moskau. 

3.4.2022 - 03:57

Der ehemalige Schweizer Botschafter in Moskau, Yves Rossier, schätzt die Chancen, dass die Schweiz im Ukraine-Krieg noch für eine Vermittlerrolle in Frage kommt, als gering ein. Zudem bezweifelt er den unmittelbaren Nutzen der ergriffenen Sanktionen.

Die Schweiz hatte bereits seit Beginn des Angriffskriegs ihre Rolle als Vermittlerin angeboten. Nun scheint diese Rolle aber die Türkei übernommen zu haben, wo nun Gespräche zwischen ukrainischen und russischen Vertretern stattfinden. Die Türkei habe das geschickt eingefädelt, sagte Rossier im Interview mit der «SonntagsZeitung».

Für Vermittlerrolle muss man nicht absolut neutral sein

Einerseits habe sie keine Sanktionen gegen Russland übernommen, andererseits liefere sie Waffen an die Ukraine und kaufe russisches Gas. Die Schweiz hingegen sei auf der russischen Liste der «feindseligen Staaten», sagte Rossier. Eine Vermittlerrolle scheine deshalb unwahrscheinlich. Vermitteln könne ein Land nur, wenn es von den Parteien gefragt werde. Zudem brauche es einen Vermittler im engeren Sinne nur, wenn die Parteien nicht miteinander sprechen.

Yves Rossier war von 2016 bis 2020 Botschafter der Schweiz in Moskau. (Archiv)
Yves Rossier war von 2016 bis 2020 Botschafter der Schweiz in Moskau. (Archiv)
Bild: Keystone 

Anders als die Türkei hat die Schweiz die Sanktionen der EU gegen Russland übernommen. Man könne aber nicht sagen, dass dies hinsichtlich einer Vermittlerrolle ein Fehler gewesen sei. Bei solchen Entscheiden gehe es nicht nur um eine allfällige Mediation, sondern es würden verschiedene Interessen abgewogen – wie zum Beispiel die Beziehungen zu den Konfliktparteien, zur EU und zu den USA, die öffentliche Meinung in der Schweiz, die humanitäre Tradition und die Wahrnehmung der Schweiz im Ausland. «Diese Aufgabe obliegt dem Bundesrat. Dem Bundesrat allein», sagte Rossier.

Dass die Schweiz mit der Übernahme der Sanktionen ihren Ruf als Vermittlerin international nachhaltig geschädigt hat, denkt Rossier derweil nicht. Für eine Vermittlungsrolle müsse man nicht absolut neutral sein.

Skepsis hinsichtlich der Sanktionen

Eher schwierig zu beantworten sei die Frage, ob die ergriffenen Sanktionen die gewünschte Wirkung zeigen. Sicher scheint Rossier, dass sie Russland wehtun würden. Allerdings müsse man sich fragen, ob die Sanktionen Russland wirklich zu Zugeständnissen bewegten. Die Sanktionen gegen russische Oligarchen zum Beispiel würden «diesen Leuten wehtun», sie hätten jedoch kaum eine Wirkung auf die Entscheide der Regierung, sagte Rossier.

Er gab zudem zu bedenken, dass Sanktionen bis jetzt nirgends zu einer Entspannung geführt hätten – weder im Iran, noch in Syrien oder Nordkorea. Auf der anderen Seite sei der Krieg für Russland teuer und mittel- und langfristig würden die Sanktionen Wirkung haben. Dass Russland in den Verhandlungen mit der Ukraine so vehement die Aufhebung der Sanktionen als Friedensbedingung fordert, zeige, dass es finanziell und wirtschaftlich unter Druck stehe.

Rossier hat gemäss eigenen Angaben während seiner Zeit als Botschafter in Russland «drei- oder viermal» mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen. Damals habe er ihn als «aufmerksamen und freundlichen Gesprächspartner» empfunden. Putin sei im immer sehr rational vorgekommen. Wie er heute funktioniere, könne er nicht sagen.

Rossier war von 2016 bis Ende 2020 Botschafter in Russland.

sda