Auswirkungen auf Schweiz «Damit hier Velos fahren können, braucht es Taiwan»

Von Alex Rudolf

5.8.2022

Wer mit dem Fahrrad unterwegs ist und eine Route sucht, kann auf Google Maps zurückgreifen.
Wer mit dem Fahrrad unterwegs ist und eine Route sucht, kann auf Google Maps zurückgreifen.
Christin Klose/dpa-tmn

Die Lage zwischen China und Taiwan ist angespannt wie schon lange nicht mehr. Mit beiden Ländern pflegt die Schweiz einen regen Wirtschafts-Austausch. Fünf Fragen an eine Kennerin.

Von Alex Rudolf

5.8.2022

Die Ereignisse überschlagen sich, seit die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi Taiwan einen Besuch abgestattet hat. Welchen Einfluss hat die angespannte Lage zwischen China und Taiwan auf die Schweiz? Barbara Möckli-Schneider ist Geschäftsführerin der Handelskammer Schweiz-Asien und erklärt, in welchen Bereichen die Schweiz von Taiwan und in welchen von China abhängig ist.

Frau Möckli-Schneider, welchen Stellenwert haben China und Taiwan für die Schweizer Wirtschaft?

Sie unterscheiden sich besonders in einem Punkt. Denn die Schweiz hat mit China ein Freihandelsabkommen unterzeichnet. Dass es ein solches auch mit Taiwan gibt, ist unwahrscheinlich, da die Schweiz eine strikte Ein-China-Politik verfolgt und Taiwan nicht anerkennt. Gleichwohl ist die Volkswirtschaft Taiwans ein wichtiger Handelspartner der Schweizer Wirtschaft basierend auf deren WTO-Mitgliedschaft.

«Die Schweiz verfolgt eine strikte Ein-China-Politik und anerkennt Taiwan nicht.»

Wie wirkt sich diese Konstellation aus?

Seit 2010 ist China der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Asien und der drittwichtigste Handelspartner überhaupt hinter der EU und den USA. Aufgrund dieses anhaltenden Konflikts und der Ein-China-Politik Chinas sieht sich Taiwan politisch wie wirtschaftlich zunehmend isoliert und bei Freihandelsabkommen eingeschränkt. Dennoch betreibt die Industrienation, vor allem mit ihren Dienstleistungs- und Industriesektoren, eine stabile Wirtschaft.

Welche Branchen in der Schweiz sind von Taiwan abhängig?

Besonders Unternehmen aus der Elektronik-Branche liessen früher ihre elektronischen Steuerungen und heute ihre Chips in Taiwan herstellen. Betroffen sind aber auch die Pharma-, die Plastik-, die Textil- sowie die Auto-Industrie. Zudem: Rund 80 Prozent aller Velo-Komponenten stammen aus Taiwan. Damit ist zwar auch die Elektronik mit Batterie der Elektrovelos gemeint, aber auch mechanische Teile wie Bremsen, Speichen und Pedalen kommen von dort. Damit Schweizer Velos fahren können, braucht es Taiwan.

Die EU wie auch die USA wollen elektronische Chips künftig wieder vermehrt im Inland produzieren. Warum das?

Das Phänomen heisst «Near Shoring» und bedeutet, dass man wieder bei sich oder im nahegelegenen Ausland produzieren will. Entstanden ist dieses Bedürfnis aus der Zero-Covid-Strategie, die China angewendet hat. Wegen rigoroser Schliessungen von Fabriken und Häfen kam es teils zu monatelangen Verzögerungen in den Lieferketten. Man will sich aus der Abhängigkeit von China befreien.

«Man will sich aus der Abhängigkeit von China befreien.»

Auch Unternehmen aus der Schweiz?

Ja. Aktuell verlassen zahlreiche mittelständische Schweizer Firmen China und bauen ein Standbein in Vietnam, Malaysia, Thailand oder Indonesien auf. Längerfristig werden wohl auch Osteuropa, die Türkei, der Mittlere Osten und Nordafrika als neue Industrie-Standorte etabliert, da dort die Lohnkosten noch merklich tiefer sind als in der Schweiz.