Experte zum Easyjet-Beinaheunglück«Das ist ein aussergewöhnlich schwerwiegender Zwischenfall»
Sven Ziegler
6.2.2024
Eine Easyjet-Maschine mit 157 Passagieren an Bord wäre beinahe in den Genfersee gestürzt. Aviatik-Experte Stefan Eiselin ordnet das bereits Bekannte ein.
Sven Ziegler
06.02.2024, 11:17
06.02.2024, 11:31
Sven Ziegler
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Im November kommt es am Genfersee beinahe zu einer Flugzeugkatastrophe.
Das Flugzeug flog viel zu tief über die Wasseroberfläche.
Die Piloten wurden nach dem Zwischenfall suspendiert.
Stefan Eiselin ist der Herausgeber des Aviatik-Magazins «Aerotelegraph» und ordnet den Zwischenfall für blue News ein.
157 Passagiere befanden sich am 5. November an Bord einer Easyjet-Maschine, die vom schottischen Edinburgh nach Genf flog. Kurz vor der Landung kam es zu einem schweren Zwischenfall: Der Airbus A320 sank viel zu tief ab, befand sich zeitweise nur 230 Meter über dem Genfersee. Vorgeschrieben wäre die rund dreifache Höhe.
Erst in letzter Sekunde konnten die Piloten reagieren. Sie gaben Schub und flogen eine Schleife. Im zweiten Versuch landete die Easyjet-Maschine ohne Probleme in Genf. Die Piloten wurden nach dem Unfall vorübergehend suspendiert.
«Wir wissen noch nicht viel, die Untersuchungen laufen noch und viele Details sind noch unbekannt», hält Aviatik-Experte Stefan Eiselin, Gründer und Chefredakteur des Luftfahrtportals «Aerotelegraph», im Gespräch mit blue News fest. «Allerdings gilt es festzuhalten: So etwas kommt selten vor, das ist ein aussergewöhnlich schwerwiegender Zwischenfall. So etwas sollte nicht passieren.»
Sicherheitsmechanismen haben funktioniert
Unklar sei derzeit, wie genau es zum Vorfall kommen konnte. So sei es möglich, dass der Crew ein Fehler unterlaufen sei. Aber auch ein technisches Problem sei nicht auszuschliessen. «Das werden die Untersuchungen der kommenden Wochen zeigen.»
Zur Person:
ZVG
Stefan Eiselin ist der Gründer und Herausgeber des Schweizer Aviatik-Magazins «Aerotelegraph».
Der Genfer Tower bemerkte die tiefe Flughöhe des Airbus A320, schlug sofort Alarm. Auch im Cockpit selber wurde, so die aktuellen Erkenntnisse, ein Alarm ausgelöst, der vor der zu tiefen Höhe warnte. «Das ist sicher positiv hervorzuheben: Die Sicherheitsmechanismen haben gegriffen, der Fehler wurde bemerkt», sagt Eiselin.
Laut Berechnungen der Zeitung «Tribune de Genève» wäre das Flugzeug rund 30 Sekunden nach der Auslösung des Alarms in den Genfersee gekracht. «Das ist nicht viel Zeit, aber es reicht gerade noch, um einen solchen Fehler zu korrigieren», erklärt der Experte. «Man muss sich bewusst sein, dass ein Flugzeug zu diesem Zeitpunkt noch mit über 200 km/h unterwegs ist. Entsprechend schwierig ist es dann auch einzuschätzen, wo das Flugzeug gelandet wäre, wenn die Piloten nicht reagiert hätten.»
«Glück im Unglück»
Dass mangelnde Ortskenntnisse der Piloten zum Beinaheunfall geführt haben, wie die «Tribune de Genève» spekuliert, hält Aviatik-Experte Eiselin für unwahrscheinlich. «Eine Ortsunkundigkeit sollte bei Piloten einer so grossen Fluggesellschaft eigentlich nie ein Problem sein. Genf ist für Easyjet eine Stammdestination, die Piloten werden entsprechend geschult. Ausserdem studiert die Besatzung vor dem Abflug die Verhältnisse beim Zielflughafen und kennt allfällige spezielle Bedingungen vor Ort.»
Was passiert wäre, wenn die Piloten nicht reagiert hätten und das Flugzeug in den Genfersee gestürzt wäre, sei reine Spekulation, so Eiselin. «Hier spielen verschiedene Faktoren wie der Aufprallwinkel, das Wetter oder der Wellengang eine Rolle. Das sind Faktoren, zu denen wir keine Kenntnis haben. Ob das Flugzeug zerschellt oder eine Notwasserung möglich gewesen wäre, wissen wir nicht.»
Grundsätzlich gelte eine Notwasserung aber als extrem anspruchsvoll. «Das ist nur unter sehr bestimmten Voraussetzungen überhaupt möglich.» Unter dem Strich sei der Vorfall glimpflich ausgegangen. «Ich denke, wir können hier von Glück im Unglück sprechen. Es kam zu einem schweren Fehler, aber die Sicherheitsmassnahmen haben gegriffen. Und das ist am Ende entscheidend für das Leben der Personen an Bord.»