Omikron-SpitzeSo bereiten sich die Spitäler auf die kommenden Wochen vor
Von Gil Bieler und Philipp Dahm
14.1.2022
Dem Gesundheitswesen steht das Wasser bis zum Hals – und die Omikron-Welle kommt erst noch. In den Spitälern trifft man bereits Vorbereitungen für den Ernstfall, doch die Möglichkeiten sind begrenzt.
Von Gil Bieler und Philipp Dahm
14.01.2022, 18:09
17.01.2022, 17:46
Gil Bieler und Philipp Dahm
Auch wenn der Bundesrat die Hoffnung äussert, dass die Omikron-Variante das Ende der Pandemie einläuten könnte: Zunächst stehen der Schweiz ein paar schwierige Wochen bevor. In besonderem Masse gilt dies für das Pflegepersonal.
Es sei wahrscheinlich, dass die fünfte Welle das Gesundheitssystem an seine Belastungsgrenze bringen werde – vor allem, wenn viel Personal wegen Krankheit oder Quarantäne ausfalle. Das sagte Rebecca Ruiz, Vizepräsidentin der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK), am Freitag vor den Medien. Sie rief die Spitäler dazu auf, sich für den Ernstfall vorzubereiten.
Dasselbe fordert Yvonne Ribi, Geschäftsführerin des Schweizerischen Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK): «Die Institutionen wie Spitäler, Altersheime oder Spitex sind bereits seit Monaten massiv gefordert», sagt sie im Gespräch mit blue News. «Nun müssen sie sich für die drohenden Spitzen rüsten.»
«Eine enorme Belastung»
Was den Spitälern droht, dazu hat die Taskforce des Bundesrats Berechnungen angestellt. Je nach Szenario könnten schon bald innert einer Woche 2500 bis 10'000 Personen ins Spital eingeliefert werden. Auf die Intensivpflegestationen kommen laut den Wissenschaftler*innen 80 bis 300 Einweisungen pro Woche zu.
Zur Einordnung: Der 7-Tage-Schnitt bei den Spitaleinweisungen beträgt aktuell 87. Und auf den Intensivstationen liegen 260 Patient*innen – in der ganzen Schweiz.
«Ein solches Szenario wäre für das ganze Gesundheitssystem eine enorme Belastung», sagt Katrin Hürlimann, Mediensprecherin des Universitätsspitals Zürich, auf Anfrage. Die personelle Situation auf den Intensivstationen sei bereits jetzt angespannt, «das Personal ist nach nun zwei Jahren massiver Mehrbelastung erschöpft».
Am Universitätsspital Zürich führe die Omikron-Welle bereits zu deutlich mehr Quarantäne- und Krankheitsausfällen unter den Mitarbeiter*innen. Betroffen seien alle Bereiche, auch punktuelle Engpässe seien schon aufgetreten. «Besonders fragil ist die Situation in Bereichen, in denen eine Spezialausbildung für die Arbeit Voraussetzung ist», so Hürlimann. Bisher hätten aber alle Engpässe überbrückt werden können – etwa dank des internen Personalpools.
Auch am Inselspital Bern ist die Situation angespannt: «Die Insel-Gruppe ist aus den vergangenen Wellen sturmerprobt und demnach auf verschiedene Szenarien vorbereitet», erklärt Mediensprecherin Petra Ming. Anders als bisher stünden aber die Personalausfälle stärker im Vordergrund.
Bislang konnten Ausfälle dank Verschiebungen innerhalb der Insel-Gruppe abgefangen werden. «Hier spielt uns die hohe Impfquote der Mitarbeitenden in die Karten», so Ming. «Wir rechnen allerdings auch beim Personal in den kommenden Wochen mit einem weiteren Anstieg der Ausfälle durch Infektionen oder Quarantäne.»
Kreativität ist gefordert
Welcher Spielraum bleibt überhaupt noch, wenn die Welle aufschlägt? Am Inselspital würde nach einem Stufenschema gearbeitet, sollten sich die personellen Ausfälle häufen.
Dasselbe gilt für das Zürcher Unispital, zudem führe man interne Pools an Mitarbeitenden in der Pflege, die Abteilungen bei Bedarf unterstützen könnten. «Da viele Tätigkeiten eine Spezialisierung erfordern, sind diese Möglichkeiten aber begrenzt, ebenso durch den generellen Mangel an Pflegefachpersonen», hält USZ-Sprecherin Hürlimann fest.
Yvonne Ribi vom Pflegenden-Berufsverband denkt ausserdem an die Verschiebung von Operationen oder daran, dass qualifiziertes Personal, das derzeit nicht auf dem Beruf arbeitet, wieder rekrutiert wird. «Dies könnte etwa durch finanzielle Anreize gefördert werden», sagt sie. Wichtig sei aber, dass ein Wiedereinstieg in den Beruf freiwillig erfolge. Also anders als in Graubünden, wo sich ehemalige Pflegende melden müssen. «Eine solche Pflicht lehnen wir klar ab», hält Ribi fest.
Welche Entlastung die vom Bundesrat beschlossene Halbierung von Quarantäne und Isolation auf fünf Tage bringen wird, müsse sich erst noch zeigen. «Wichtig ist aber, dass jemand erst nach einem negativen Test 48 Stunden ohne Symptome aus Quarantäne oder Isolation entlassen werden kann.»
Bräuchte es angesichts dessen, was da kommt, strengere Corona-Massnahmen? Politische Entscheide will Ribi nicht kommentieren. Sie sieht aber die gesamte Bevölkerung in der Pflicht, um der Omikron-Welle Einhalt zu gebieten. «Wir alle wissen, was zu tun ist, um eine Infektion und damit eine Hospitalisation zu verhindern: Kontakte reduzieren, die Hygiene- und Abstandsregeln einhalten und sich impfen lassen. So kann jeder und jede einen Beitrag leisten.»
Konkreter äusserte sich Rebecca Ruiz, die Vizepräsidentin der Gesundheitsdirektorenkonferenz GDK: Die Zeichen stünden nicht auf eine Lockerung, sondern eher auf eine Verschärfung der Massnahmen. Und Berset? Der Gesundheitsdirektor wiederholte seinen Standpunkt, die bestehenden Massnahmen seien ausreichend: «Es wird gut kommen.»