Annullierung, Panne, Verspätung Das sind deine Rechte im Flug-Chaos

Lia Pescatore

25.6.2022

Kurz vor den Sommerferien häufen sich Flugausfälle und Verspätungen. Mit diesen Tipps vom Experten kommst du möglichst sorgenfrei in die Ferien und wenn nötig auch an deine Entschädigung.

Lia Pescatore

25.6.2022

Ausfälle, Pannen, Verspätungen: Flugreisende brauchen weiterhin viel Geduld. Bis zu den Sommerferien wird sich die Situation nicht verbessern. Doch wie können sich Passagiere vorbereiten und schützen? blue News hat bei Simon Sommer, Jurist und Experte für Fluggastrecht beim Fluggastrechtportal Cancelled, nachgefragt, der – zufälligerweise – zum Zeitpunkt des Interviews selbst wegen eines verspäteten Flugs in Wien festsass. 

Was kann ich schon vor meiner Reise beachten?

Mit der richtigen Vorbereitung lassen sich einige Probleme vermeiden: Jurist Simon Sommer empfiehlt, online einzuchecken und genug Zeit am Flughafen für die verschiedenen Kontrollen einzuplanen. Denn wer seinen Flug verpasst, weil er in der Sicherheitskontrolle zu lange warten musste, könne grundsätzlich keine Rechte bei der Airline geltend machen.

Auch der Verzicht auf Aufgabegepäck könne Ärgernisse ersparen, sowohl vor als auch nach dem Flug. «Sich zu informieren, ist essenziell», betont Sommer, über die Wartezeiten am Abflugsflughafen, aber auch über die geltenden Passagierrechte. In der Regel gilt für Schweizer Reisende die EU-Fluggastrechteverordnung.

Kann ich mich immer auf die EU-Fluggastrechtverordnung berufen?

Nein, aber beim Hinflug von einem EU- oder Schweizer Flughafen musst du dir keine Gedanken machen. Auf dem Rückflug kommt es hingegen darauf an, ob du mit einer EU- oder Schweizer Airline fliegst oder nicht: Fliegst du zum Beispiel mit American Airlines von New York nach Zürich, gilt amerikanisches Recht, fliegst du hingegen mit der Swiss, gelten die europäischen Konsumentenschutzrechte. Das Fazit von Sommer: «Wer seine Reise bei einer EU- oder Schweizer Fluggesellschaft bucht, ist klar besser geschützt.» Die folgenden Ausführungen sind alle auf dem europäischen Recht abgestützt. Es lohne sich also, den Sitz der Airline bei seiner Buchung zu berücksichtigen.

Was, wenn mein Flug annulliert wird?

Fällt ein Flug aus, muss dir die Airline einen alternativen Flug anbieten und wenn nötig für Übernachtungen, Essen und Trinken aufkommen. Du kannst jedoch auch die Rückerstattung des Tickets anfordern, wenn du auf deine Reise verzichten möchtest.

Ein häufiger Fehler von Betroffenen sei es, selbständig einen alternativen Flug zu buchen, sagt Sommer. In diesem Fall bekomme man zwar den ursprünglichen Flug zurückerstattet. Bei einer Preisdifferenz zum neuen Flug müsse der Passagier diese aus der eigenen Tasche zahlen – ausser er könne beweisen, dass die Airline keine Alternative hätte bieten können. «Das ist sehr schwierig», sagt Sommer. Es sei darum wichtig, bei einer Annullation sofort die Airline zu kontaktieren, am besten am Schalter im Flughafen.

Werden die Umtriebe auch entschädigt?

Ja, unter zwei Bedingungen: Der Grund der Annullierung muss einerseits in der Machtsphäre der Airline liegen, also zum Beispiel durch Personalmangel bei der Airline oder einen technischen Effekt entstehen. Zudem muss die Annullierung weniger als 14 Tage vor dem Flug verkündet werden, sonst gibt es keine Entschädigung. Diese variiert zudem nach Länge der zurückzulegenden Strecke: 250 Euro erhält man bei Flügen von bis zu 1'500 Kilometern, 400 Euro bei Flügen bis 3'500 Kilometer und 600 Euro bei noch längeren Distanzen.

Und was ist mit dem gebuchten Hotel oder dem Mietwagen?

Alles, was der Kunde oder die Kundin im Voraus am Zielort gebucht hat, muss die Fluggesellschaft nicht zurückerstatten. Verpasst du also ein Konzert oder die erste Hotelnacht am Zielort, kannst deinen Mietwagen nicht pünktlich abholen, musst du diese Kosten selbst tragen.

Was gilt, wenn sich der Flug nur verspätet?

Für eine Entschädigung einer Verspätung muss der Grund der Unannehmlichkeiten in der Machtsphäre der Airline liegen, erklärt Sommer. Ist der Kunde oder die Kundin zu spät am Flughafen oder kommt es zu Turbulenzen aufgrund des Wetters, müsse die Fluggesellschaft also grundsätzlich keine Entschädigung zahlen. Die Entschädigung von Verspätungen ist in der Schweiz jedoch umstritten.

Und wenn ich den Flug wegen langer Wartezeiten verpasst habe?

Grundsätzlich sei der Passagier verpflichtet, genug Zeit am Flughafen einzuplanen, sagt Sommer. Die Wartezeiten hätten jedoch in diesem Jahr eine neue Dimension angenommen. «So was kannten wir vor Corona noch nicht», sagt der Jurist. In Deutschland habe man darauf schon reagiert: Ein Gericht hat kürzlich entschieden, dass sich ein Kunde auf die Zeit-Empfehlung der Fluggesellschaft berufen dürfe: Rät diese, drei Stunden vor Abflug im Flughafen einzutreffen und reiche diese Zeit nicht aus, dann ist gegebenenfalls eine Entschädigung fällig. «Da dieses Phänomen ein neues Problem ist, hängt hier noch viel in der Luft», so Sommer.

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Wie reist du in die Sommerferien?

Wie kann ich meinen Flug zurückerstatten lassen und die Entschädigung einfordern?

Sommer empfiehlt den Weg über das Onlineformular der jeweiligen Airline. Wer sein Geld zurückwill, brauche jedoch Geduld. Bei gewissen Fluggesellschaften warte man Jahre auf einen Entscheid. Grund dafür sei auch, dass die Fluggesellschaften in diesem Bereich stark gespart haben, auch aus strategischen Gründen. «Wenn der Kunde nach dem zweiten oder dritten Mail aufgibt, dann ist das natürlich ein Gewinn für die Airline», sagt Sommer. Ein Ausweg bietet eine Anzeige beim Bundesamt für Zivilluftfahrt oder alternativ das Zurückgreifen auf ein spezialisiertes Fluggastrechtportal wie Cancelled, Airhelp oder EUclaim, das beim Prozess unterstützt und bei Erfolg eine Provision einfordert. 

Gibt es eine zeitliche Frist?

Mit deiner Rückerstattungs- oder Entschädigungsforderung musst du dich nicht sputen. Es gilt das Verjährungsrecht, das je nach Land mehrere Jahre vorsieht, so Sommer.

Auch die Airports kämpfen mit Personalmangel und drohen, zu den Stosszeiten im Sommer zum Nadelöhr zu werden: Reisende am Flughafen Berlin Brandenburg am Pfingstwochenende.
Auch die Airports kämpfen mit Personalmangel und drohen, zu den Stosszeiten im Sommer zum Nadelöhr zu werden: Reisende am Flughafen Berlin Brandenburg am Pfingstwochenende.
Christoph Soeder/dpa/dpa-tmn