Revision Sexualstrafrecht Das bringt «Nur Ja heisst Ja»

SDA/mmi

6.12.2022

Die grosse Kammer hat am Montag über die Revision beraten.
Die grosse Kammer hat am Montag über die Revision beraten.
Keystone

Dass sich das Sexualstrafrecht den gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen muss, darüber ist sich die Politik einig. Nur diskutieren Ständerat und Nationalrat darüber, wie. Eine Übersicht der aktuellen Situation.

SDA/mmi

6.12.2022

Das Schweizer Sexualstrafrecht wird überarbeitet. Besonders um die Bestimmung der Einvernehmlichkeit von sexuellen Handlungen ist eine Debatte entfacht. Dabei wird vor allem über die Frage diskutiert: Ist die Zustimmungs- oder die Widerspruchslösung besser?

Während der Ständerat sich bereits in der Sommersession für die Widerspruchslösung ausgesprochen hat, hat sich der Nationalrat am Montagabend als Zweitrat über die Verschärfung des Sexualstrafrechts gebeugt.

Nach einer fünfstündigen Debatte hat die grosse Kammer die Verschärfung des Sexualstrafrechtes in der Gesamtabstimmung mit 127 zu 58 Stimmen bei 5 Enthaltungen angenommen. Gegen die Vorlage stimmten die SVP-Fraktion sowie einzelne Vertreter der Mitte. Ihnen sind die teilweise verschärften Strafen zu wenig streng. Nun geht die Vorlage zurück in den Ständerat.

Worum geht es bei der Überarbeitung des Sexualstrafrechts überhaupt und was soll sich ändern? Hier erhältst du eine Übersicht mit Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Warum wird das Sexualstrafrecht überarbeitet?

Das aktuell geltende Sexualstrafrecht ist vor 30 Jahren, am 1. Oktober 1992, in Kraft getreten. Aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen seither hat der Bundesrat im Frühling 2018 die Botschaft «Harmonisierung der Strafrahmen und zur Anpassung des Nebenstrafrechts an das geänderte Sanktionenrecht» zuhanden der Bundesversammlung verabschiedet.

Der Bundesrat will damit Gewalt- und Sexualdelikte, die oftmals an Kindern und Frauen begangen werden, künftig härter bestrafen.

Dabei geht es vor allem um die Zustimmungs- respektive die Widerspruchslösung, aber auch um die Frage, ob Vergewaltiger künftig hinter Gitter müssen. Zudem sind sich Ständerat und Nationalrat uneins, ob auch Rachepornografie sowie das sogenannte Cybergrooming ins Strafgesetzbuch gehören, ob das Schutzalter für sexuelle Handlungen mit Kindern hochgeschraubt werden soll und ob Vergewaltiger zwingend hinter Gitter müssen.

Was will die Zustimmungslösung?

Einen sexuellen Übergriff, eine sexuelle Nötigung oder eine Vergewaltigung begeht demnach, wer «ohne die Einwilligung» einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt. Es soll also «Nur ein Ja ist ein Ja» gelten.

Die Schweizer Sektion der Menschenrechtsorganisation Amnesty International und die politische Bewegung Operation Libero setzen sich mit einer breiten Kampagne für diese Zustimmungslösung ein.

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«Nein heisst Nein» oder «Nur Ja heisst Ja»: Diese Frage stellt sich am Dienstag dem Ständerat, wenn er als Erstrat über die Revision des Sexualstrafrechts diskutiert und befindet. Die Operation Libero setzt sich für die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung ein.

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Die Kommissionsmehrheit erhofft sich davon, dass sich bei der Aufklärung von Sexualdelikten der Fokus der Strafverfolgungsbehörden vermehrt auf das Verhalten der mutmasslichen Tatperson richten wird und nicht das Verhalten des mutmasslichen Opfers im Zentrum steht.

Für die Minderheit der Kommission droht mit dem «Symbolstrafrecht» dagegen eine Beweislastumkehr. Eine solche könne in einem Strafverfahren zu überzogenen Erwartungen der Opfer von Sexualdelikten führen.

Was will die Widerspruchslösung?

Der Ständerat hatte sich in der Sommersession mit 25 zu 18 Stimmen für die Ablehnungslösung respektive Widerspruchslösung ausgesprochen. Demnach macht sich strafbar, wer sexuelle Handlungen «gegen den Willen» einer Person vornimmt. Es soll also «Nein heisst Nein» gelten.

Was gilt in anderen Ländern?

In diesen zwölf europäischen Staaten ist das Zustimmungsprinzip bereits Gesetz: Belgien, Grossbritannien, Luxemburg, Island, Malta, Schweden, Griechenland, Zypern, Dänemark, Slowenien, Irland und Kroatien. Zuletzt hat sich auch Spanien für das Prinzip «Nur Ja heisst Ja» ausgesprochen. In Finnland und den Niederlanden sind entsprechende Reformen auf dem Weg.

Was ändert sich mit der Revision sonst noch?

Die Vorlage definiert auch den Strafrahmen im Sexualstrafrecht teilweise neu. Der Ständerat will etwa, dass Vergewaltiger künftig zwingend ins Gefängnis müssen. Die Mindeststrafe soll deshalb bei mindestens zwei Jahren Freiheitsentzug liegen. Aktuell kommen Täter mit einer bedingten Gefängnisstrafe davon.

Die vorberatende Nationalratskommission dagegen schlägt eine minimale Freiheitsstrafe von einem Jahr vor, will den bedingten Vollzug also nicht ausschliessen.

Das revidierte Gesetzt sieht drei Vergewaltigungsstufen vor. Auch der Nationalrat will, dass Vergewaltiger einer der drei Stufen (Nötigung) zwingend ins Gefängnis müssen.  Bei den beiden restlichen Stufen lehnte der Nationalrat dies ab. Das heisst: Er will weiterhin auch bedingte Strafen und Geldstrafen erlauben.

Neu will die Kommission auch das Unverjährbarkeitsalter bei Sexualdelikten an Kindern heraufsetzen. Unverjährbar sollen diese künftig sein, wenn sie an Kindern unter 16 Jahren begangen werden. Heute liegt diese Altersgrenze bei zwölf Jahren. Der Nationalrat hat dem zugestimmt, Ständerat und Bundesrat haben dies abgelehnt.

Was ist Rachepornografie?

Wie der Ständerat empfiehlt auch die Nationalratskommission, dass sogenannte Rachepornografie (Revenge porn) neu strafrelevant werden soll. Dabei geht es um das unbefugte Weiterleiten von nicht öffentlichen sexuellen Inhalten. Die Kommission empfiehlt allerdings, diesen Artikel weiter zu fassen als der Ständerat und auch andere kompromittierende Aufnahmen aufzunehmen.

Was ist Cybergrooming?

Anders als der Ständerat möchte die vorberatende Nationalratskommission neu auch den Tatbestand des Cybergrooming ins Gesetz aufnehmen. Der Begriff bezeichnet das gezielte Anbahnen von sexuellen Kontakten mit Minderjährigen, also die Planung eines sexuellen Missbrauchs. Die digitale Belästigung von Kindern und Jugendlichen im Internet sei ein grosses Problem, schreibt die Kommission. Deshalb soll sie als Antragsdelikt Aufnahme ins Gesetz finden.