Bergführer zu Monte-Rosa-Drama «Ich gehe nie ohne Daunenjacke auf den Berg»

pab/che

5.7.2021

Wer unvorbereitet auf eine Bergtour geht, gefährdet auch sie: Retter der Air Glaciers im Einsatz. (Symbolbild)
Wer unvorbereitet auf eine Bergtour geht, gefährdet auch sie: Retter der Air Glaciers im Einsatz. (Symbolbild)
Keystone/Archiv

Am Wochenende sind zwei Bergsteigerinnen im Monte-Rosa-Massiv erfroren. Bergführer Massimo Bognuda warnt davor, im Sommer die alpinen Touren zu unterschätzen. Vor allem die Insta-Jugend nehme die Gefahren zu sehr auf die leichte Schulter. 

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Die Tragödie vom Samstag auf dem Monte Rosa hat das Tessin tief berührt. Eine der verunfallten Bergsteigerinnen arbeitete als Lehrerin am Gymnasium in Mendrisio und an der Kantonalen Handelsschule in Bellinzona.

Nach dem Drama am Monte Rosa («blue News» berichtete) hat die Radiotelevisione svizzera italiana, RSI, Experte Massimo Bognuda interviewt, um eine Bestandsaufnahme der Gefahren zu machen, die der Berg auch im Sommer bergen kann. Massimo Bognuda ist Bergführer mit eidgenössischem Diplom und Koordinator der Alpine Guides Ticino.

Er erklärt: Auch wenn ein Viertausender im Sommer nicht so heimtückisch erscheinen mag, musst du trotzdem vorsichtig sein: «Auch wenn es –4 oder 0 Grad ist, darf man auf 4000 Metern die Wetterentwicklung nicht unterschätzen. Nähert sich zum Beispiel eine Kaltfront mit starkem Wind, also ein Sturm, haben wir null Grad mit 40 km/h Wind. Der Mensch nimmt eine Temperatur von –15 Grad war.»



Es sei zu bedenken, dass in grossen Höhen plötzliche Wetterumschwünge häufig sind. «Ich gehe nie ohne Daunenjacke», sagt Bognuda und doppelt nach: «denn auch wenn es mitten im Sommer und heiss ist, in den Bergen, wenn der Wind kommt, ist die Abkühlung des Körpers viel grösser. In wenigen Minuten können Sie gefühlte Temperaturen von –10/–15 Grad haben. Wenn man nicht mit einer Thermodecke und/oder einem Notbiwak ausgerüstet ist, wird die Situation dramatisch.»

«Wenn man nicht vorbereitet, nicht gut ausgerüstet und sich der Gefahren des Berges nicht bewusst ist, riskiert man wirklich viel», so Bognuda weiter. Die Gefahr sei nicht proportional zur Höhe des Gipfels, mahnt der erfahrene Bergführer: «Egal, ob Sie sich auf 2500 oder 4000 Metern Höhe an einem felsigen Hang befinden, wo es keinen Weg gibt: Wenn Sie sich bei Nebel oder schlechtem Wetter nicht orientieren können, werden Sie nicht in der Lage sein, zur Hütte zurückzukehren.»

In den sozialen Medien scheint alles einfach

Die Sommersaison hat gerade erst begonnen – und vor ein paar Wochen wurde im Tessin die neue Sensibilisierungskampagne «Montagne Sicure» (sichere Berge) mit viel Prominenz in den Medien lanciert, doch eine Tatsache macht stutzig: «Wir sehen immer noch Leute, die den Berg ein wenig auf die leichte Schulter nehmen.»

Laut Bognuda geht eines der Probleme auf die sozialen Medien zurück: «Die Menschen verlassen sich oft auf die Informationen, die sie in diesen Netzwerken finden, die oft alles als schön und einfach darstellen, aber nur eine Wetteränderung, und die Situation kann sofort dramatisch werden.»

Bognuda empfiehlt, auf Informationen aus den offiziellen Kanälen zurückzugreifen wie zum Beispiel bei den Führern des Schweizer Alpenclubs, die die Schwierigkeiten genau beschreiben, oder sich bei den Bergführern oder den Schutzhütten zu informieren, oder auch bei anderen alpinen Vereinen, wo es Betreuer und geschulte Personen gibt, die verlässliche Auskünfte geben können.