Schweizer Lufthoheit «Der Bestand des Rotmilans hat stark zugenommen»

Von Philipp Dahm

9.7.2022

Ein Rotmilan sucht im Mai in Schmitten FR nach Beute.
Ein Rotmilan sucht im Mai in Schmitten FR nach Beute.
Keystone

Sie kreisen sowohl über Landstrassen als auch Städten: Nördlich der Alpen kann sich der Bestand des Rotmilans fast überall sehen lassen. Hat das Folgen für andere Vögel oder gar Haustiere? Der Experte antwortet.

Von Philipp Dahm

Michael Schaad, Leiter Stab der Schweizerischen Vogelwarte in Sempach, gibt auf Nachfrage von blue News Auskunft über den Rotmilan.

Der Schweizer Himnmel wimmelt derzeit geradezu von Rotmilanen. Täuscht dieser Eindruck?

Nein, es ist tatsächlich so, dass der Bestand des Rotmilans in der Schweiz in den letzten 50 Jahren stark zugenommen hat. Es ist eine sehr erfreuliche Entwicklung, die wir da beobachten.

Woran liegt es, dass sich die Art so vermehrt hat?

Grundsätzlich liegt das an einem verbesserten Schutz. Früher ist man gegen Greifvögel vorgegangen. Sie wurden zum Teil direkt verfolgt. Durch die europaweite Unter-Schutz-Stellung konnte sich der Bestand des Rotmilans stark erholen. Ihm kommt auch die aktuelle Form der Landwirtschaft zugute, die zwar intensiv ist, in der er aber doch ein gutes Angebot von Nahrung findet. Wir reden hier von Mäusen, aber auch von Regenwürmern. Als Aasfresser profitiert der Rotmilan auch davon, dass hier und da Nahrungsabfälle herumliegen. Beim Futter ist er nicht sehr anspruchsvoll.

Das klärt dann auch die Frage, wie die Tiere in der Stadt Futter finden?

Sie jagen dort nicht aktiv, sondern nutzen, was sie finden. Man spricht in dem Zusammenhang von einer Geier-Ökologie, weil sich der Rotmilan, ähnlich wie der Geier, über Abfall und Kadaver am Strassenrand hermacht, wenn diese essbar sind.

Rotmilan mit erbeutetem Fisch.
Rotmilan mit erbeutetem Fisch.
Commons/Frank Liebig

Wie alt werden Rotmilane? Und wie misst man ihr Alter?

In Gefangenschaft kann man das natürlich genau sagen. In er Natur ist das nur möglich, wenn man den Vogel mit einem Ring versieht und ihn später tot oder lebendig wiederfindet. Das Höchstalter beim Rotmilan liegt bei über 25 Jahren.

Was bedeutet das Erstarken des Rotmilans für andere Vögel?

Eigentlich gar nichts, aber die Frage kommt immer wieder auf, ob er andere Vögel verdrängt. Aber hier kann ich beruhigen: Der Rotmilan profitiert von Nahrung, die für andere Vögel wenig attraktiv ist. Es gibt kaum Konkurrenzsituation mit anderen Arten. Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass sich seine Zunahme auf andere Vogelarten auswirkt.

Greift der Rotmilan andere Vögel an?

Man muss sich bewusst sein: Je kleiner ein Vogel ist, desto grösser sind die Verluste, die die Art im ersten Lebensjahr erleidet. Bei zehn Blaumeisen, die ein Nest verlassen, kann man davon ausgehen, dass ein bis zwei von ihnen ihr erstes Jahr überleben. Natürlich schlägt ein Rotmilan auch mal einen anderen Vogel und nimmt zum Beispiel einen verletzten Vogel. Die Frage ist dann, ob es einen Einfluss auf den Bestand dieser Vogelart hat. Aber diese Entwicklung sehen wir überhaupt nicht. Wenn ein Rotmilan eine Amsel nimmt, kann die Amsel als Art das in der Schweiz problemlos verkraften.

Rotmilans können über 25 Jahre alt werden.
Rotmilans können über 25 Jahre alt werden.
Commons/Isiwal

Gefährden die Vögel Haustiere?

Nein, da muss man keine Angst haben.

Kann man als Vogelfreund dem Rotmilan etwas Gutes tun?

Nein, dem Rotmilan geht's gut, er profitiert wie gesagt vom landwirtschaftlichen System und hat keine grossen Bedürfnisse. Da ist es für andere Arten viel wichtiger, dass wir unsere Gärten naturnah gestalten. Beim Rotmilan dürfen wir uns zurücklehnen und geniessen, dass es wieder so viele gibt.

Brutbestand des Rotmilans in der Schweiz.
Brutbestand des Rotmilans in der Schweiz.
Schweizerische Vogelwarte