Familien-Nachzug aus AfghanistanSchweiz rechnet mit bis zu 50'000 Gesuchen
uri
30.8.2021
Das Aussendepartement bezeichnet die humanitäre Lage in Afghanistan als «besonders besorgniserregend». Einen erleichterten Familiennachzug für Flüchtlinge wie während der Syrienkrise soll es dennoch nicht geben.
uri
30.08.2021, 12:33
30.08.2021, 14:00
uri
Den Forderungen von Flüchtlingsorganisationen und linker Parteikreise, Tausende afghanische Flüchtlinge aufzunehmen und Visa-Erleichterungen für Angehörige zu ermöglichen, will der Bund weiterhin nicht nachkommen.
Noch während der Syrienkrise im Jahr 2013 hatte Bern entsprechende Regelungen ausgeweitet, um den Nachzug von engen Familienmitgliedern von in die Schweiz geflüchteten Syrerinnen und Syrern zu erleichtern – auch sie konnten ein Gesuch um ein Visum stellen.
In der derzeitigen Lage sei das Vorgehen von damals aber keine Option, bekräftigte Daniel Bach vom Staatssekretariat für Migration SEM gegenüber dem SRF. Damals hätten sehr viele Menschen rasch entsprechende Anträge auf Visa gestellt. «Unsere Auslandsvertretungen waren innert kürzester Zeit vollkommen überlastet», sagt Bach. Das sei auch der Grund gewesen, weshalb man die Praxis des Familiennachzugs nach einiger Zeit wieder aufgegeben haben.
SEM rechnet mit bis zu 50'000 Gesuchen
Zudem seien damals rund 5000 Menschen aus Syrien in die Schweiz gekommen. Im Falle von Afghanistan geht man laut Bach von einer bedeutend höheren Zahl von Personen aus: «Wir rechnen damit, dass wir in kürzester Zeit 40'000 bis 50'000 Gesuche hätten, wenn alle Berechtigten einen solchen Antrag stellen würden», zitiert ihn SRF. Für die entsprechenden Auslandsvertretungen sei das nicht mehr zu bewältigen.
Der Bundesrat hatte bereits am 18. August beschlossen, dass die Schweiz zunächst keine afghanischen Kontingentsflüchtlinge aufnehmen wird und auch die Vergabe von humanitären Visa nicht erleichtert werden soll. Justizministerin Karin Keller-Sutter verteidigte den Entscheid wenige Tage danach in einem Zeitungs-Interview mit dem Argument, es gebe derzeit gar keine Massenflucht aus Afghanistan.
Sie erklärte zudem, die Schweiz habe gar keine Möglichkeit, die Menschen ausser Landes zu bringen: «Wir können auch nicht einfach willkürlich 10'000 Menschen auswählen und aus dem Krisengebiet evakuieren.» Die Schweiz werde deshalb vor allem humanitäre Hilfe vor Ort und in den Nachbarstaaten Afghanistans leisten.
Aufnahme von bis zu 10'000 Flüchtlingen gefordert
Linke Parteikreise und Hilfswerke hatten aufgrund der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan und der daraus resultierenden Notlage vieler Menschen eine unbürokratische Aufnahme von bis zu 10'000 gefährdeten Flüchtlingen gefordert. Besonders verletzlichen Personen solle ein schneller Zugang zu humanitären Visa ermöglicht werden, forderte ein Appell, den rund 38'000 Menschen unterzeichneten.
Carolin Krauss vom Schweizerischen Roten Kreuz zeigt sich hinsichtlich einer Anwendung bei Syrien gebräuchlichen Regeln im jetzigen Fall immerhin skeptisch. «Würde man Visaerleichterungen einsetzen, würde dies viele Personen betreffen, die sich bereits in den Nachbarländern von Afghanistan aufhalten», sagte sie SRF.
Der Bund geht davon aus, dass derzeit etwa drei Millionen afghanische Flüchtlinge im Iran und zweieinhalb Millionen in Pakistan leben. Nach verschiedenen Schätzungen sollen sich zudem zwischen 200'000 und 600'000 Afghanen in der Türkei befinden. Aktuell dürften sich zudem mindestens weitere 500'000 Menschen in Afghanistan auf die Flucht begeben haben.