Karin Keller-Sutter über Flüchtende: «Wir haben keine Obergrenze festgesetzt»
Justizministerin Karin Keller-Sutter äussert sich zu den Vorbereitungen für Flüchtende aus der Ukraine und den Umgang mit dem Begriff «Kriegsverbrechen».
08.04.2022
Bundespräsident Ignazio Cassis und Justizministerin Karin Keller-Sutter waren sich diese Woche hinsichtlich der Einschätzung des Massakers von Butscha nicht einig. Nun gibt es eine einheitliche Linie. Auch sonst ist sich der Bundesrat einig: Die Schweiz muss den Ukrainer*innen helfen.
Das Entsetzen nach dem Massaker von Butscha war weltweit gross. Justizministerin Karin Keller-Sutter (FDP) war die erste Bundesrätin, die öffentlich von möglichen Kriegsverbrechen sprach. Parteikollege Ignazio Cassis und das ihm unterstehende Aussendepartement sahen aber bis gestern von dieser Formulierung ab. Es habe sich nicht um eine Differenz gehandelt, sagt Keller-Sutter heute zu blue News. «Manchmal werden minime sprachliche Finessen anders ausgelegt.»
Am Mittwoch kam der Bundesrat zu einer Klausur zusammen, in der der Krieg in der Ukraine besprochen wurde.
Am Donnerstag veröffentlichte das Aussendepartement schliesslich eine Mitteilung mit dem Titel «Untersuchung der Kriegsverbrechen in der Ukraine». Darin heisst es etwa, dass der Internationale Strafgerichtshof die «klaren Hinweise» auf Kriegsverbrechen untersuche und die Schweiz diese Untersuchungen unterstütze.
Wurde dieser Zwist am Mittwoch etwa in der Klausur der Landesregierung thematisiert? Laut Keller-Sutter sei dies nicht der Fall gewesen, da, wie eingangs erwähnt, keine Differenz in der Landesregierung vorgelegen sei. Auf die Haltung des Aussendepartements angesprochen, wich sie aus und meinte: «Der Bundespräsident hat dies in der Zwischenzeit korrigiert.»
Im Gespräch mit blue News sagte der Politologe Mark Balsiger, dass Ignazio Cassis den Begriff Kriegsverbrechen im juristischen, Karin Keller-Sutter diesen im politischen Sinn verstanden habe. Beispielsweise habe ihn auch die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock wie Keller-Sutter interpretiert.
Die Erklärung dafür, dass sich die beiden FDP-Magistraten in der Vergangenheit hin und wieder uneins waren, ortet Politologe Balsiger darin, dass beide befürchten, Ende 2023 abgewählt zu werden. So können die Grünen und Grünliberalen in den kantonalen Wahlen stetig zulegen, während die SP, aber auch die SVP, FDP und die Mitte verlieren. Aktuell wäre die FDP mit zwei Vertretern im Bundesrat am stärksten übervertreten.