Gratis oder nicht? Der Tanz um den Test

Von Anna Kappeler

17.9.2021

Junge Frauen testen sich auf Covid-19, an einem Testanlass mit bis zu 1000 Personen in Chur. 
Junge Frauen testen sich auf Covid-19, an einem Testanlass mit bis zu 1000 Personen in Chur. 
Bild: KEYSTONE

Die Corona-Tests müssen ab 1. Oktober selber bezahlt werden. Das will der Bundesrat. Dagegen regt sich Widerstand. Ändert heute die Landesregierung ihre Meinung?

Von Anna Kappeler

17.9.2021

In zwei Wochen ist Schluss mit gratis. Zumindest, sofern der Bundesrat bei seiner heutigen Sitzung seine Meinung nicht ändert. Die Rede ist von den Tests, die Ungeimpfte benötigen, um ein Corona-Zertifikat zu erhalten.

Ende August hat der Bundesrat entschieden, dass die Corona-Tests ab 1. Oktober nicht mehr gratis sein sollen. Doch dagegen regt sich nun im Bundeshaus Widerstand.

«Einerseits die Ausweitung der Zertifikatspflicht und nun auch noch kostenpflichtige Tests? Das kommt einem indirekten Impfzwang gleich», sagt Ex-SVP-Chef Albert Rösti. Es sei legitim, dass sich jemand nicht impfen lassen wolle – und trotzdem in die Beiz. «Es kann nicht sein, dass Ungeimpfte nun für Tests zahlen müssen. Eine Diskriminierung zwischen Geimpften und Ungeimpften hilft niemandem», sagt Rösti, Vizepräsident der Gesundheitspolitischen Kommission des Nationalrats (SGK-N).

Impfquote: Tendenz steigend

Ein Blick auf die Zahlen des Bundesamtes für Gesundheit BAG indes zeigt: Die Impfquote steigt seit Kurzem wieder an.

Die Grafik zeigt die Entwicklung der geimpften Personen.
Die Grafik zeigt die Entwicklung der geimpften Personen.
Grafik: BAG, Stand 15.9.2021, 10 Uhr

Aus den Daten wird ersichtlich, dass es sich überwiegend um Erstimpfungen handelt, wie eine Sprecherin des Bundesamtes für Gesundheit BAG auf Anfrage sagt. «Auch der 7-Tagesschnitt der verabreichten Impfdosen hat seit Anfang September deutlich zugenommen.» Am 1. September waren es 21'731 Dosen, elf Tage später 29'611.

«Alle Kategorien müssen gleich behandelt werden»

Der Kurs des Bundesrats scheint also zu funktionieren. Warum ihn also ändern? Dazu hat Grünen-Präsident und Nationalrat Balthasar Glättli eine deutliche Meinung: «Weil viele Ungeimpfte sich schlicht aufhören lassen würden zu testen, wenn sie für einen Test zahlen müssen, würde das die Pandemie befördern statt einschränken.» Das sei das gesundheitspolitische Hauptargument seiner Partei. Und: «Die Grünen sind die einzigen, die nicht dreimal die Meinung ändern. Wir sagen seit Beginn, dass die Tests gratis bleiben müssen.»

Ein Zertifikat bekomme bekanntlich, wer geimpft, genesen oder getestet ist. «Das heisst dann aber auch: Alle Kategorien müssen gleichbehandelt werden. Dass Getestete plötzlich übers Portemonnaie diskriminiert werden, ist nicht zu rechtfertigen», sagt Glättli.

Testen kann teuer werden

Ein Antigen-Schnelltest kann ins Geld gehen. Je nach Kanton kostet dieser zwischen 50 bis 80 Franken. Gültig ist er 48 Stunden.

Dass die Tests gratis bleiben müssen, findet inzwischen auch die SP. «Andererseits droht ein indirekter Impfzwang», sagt Nationalrätin Martina Munz (SP/SH). Man müsse nun Gräben zuschütten, damit auch Ungeimpfte ein soziales Leben mit Freizeitbeschäftigungen führen können – ohne Kosten für Tests. Auch die Mitte zieht mit. Parteipräsident Gerhard Pfister schreibt auf Twitter: «Die Akzeptanz des Covid-Zertifikats muss erhöht werden. Deshalb braucht es auch kostenfreie Tests.»

Interessant daran: Die nationalrätliche Gesundheitskomission war vor Kurzem in einer Konsultation noch – wenn auch knapp – dafür, dass die Tests kostenpflichtig werden, wie das Onlineportal «watson.ch» schreibt. Die Präsidentin der SGK-N, Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel, wird in der Fragestunde im Parlament laut «Blick.ch» nächste Woche den Vorschlag einbringen, die Gratis-Tests auf fünf Stück pro Monat zu begrenzen. Gelten sollte das aber nur für die unter 25-Jährigen.

FDP will keine Gratis-Tests mehr

Auf Bundesrats-Linie ist inzwischen nur noch die FDP. «Es ist richtig, dass für die Tests ab 1. Oktober bezahlt werden muss», sagt Nationalrat Christian Wasserfallen. Die freiwillige Impfung sei nach wie vor gratis zu verabreichen. «Ich hoffe, dass mit einer grösseren Impfquote dann diese Zertifikatspflicht wieder beseitigt werden kann.» Wenn alle mithelfen würden, käme man schnell wieder raus.

Doch auch Wasserfallen sieht ein Risiko bei kostenpflichtigen Tests: «Es könnte sein, dass sich Leute nicht mehr testen lassen, sobald die Tests kostenpflichtig werden.» Das wäre negativ für die Pandemiebekämpfung. «Eine Idee: Die Tests bleiben weiterhin gratis, wenn es einzig um den Nachweis geht, dass man Corona-negativ ist. Will man den Test aber für ein Zertifikat, würde dieses Zertifikat kosten.»

Nur Druck auf Impfung erhöhen?

Bleibt eine Frage: Hat der Bundesrat die erweiterte Zertifikatspflicht eingeführt, um den Druck zu erhöhen, sich impfen zu lassen? Die befragten Politiker halten das für möglich. «Wenn der Bundesrat die erweiterte Zertifikatspflicht eingeführt hat, um den Druck zu erhöhen, sich impfen zu lassen, dann soll er bitte dazu auch öffentlich stehen», sagt Grünen-Präsident Glättli. «Und sich nicht hinter Finanzargumenten à la ‹die Tests kosten uns alle zu viel› verstecken.»

Was also entscheidet der Bundesrat heute? Stellt er sich gegen eine klare Mehrheit des Parlaments? Interessant ist dabei die Rolle der beiden SVP-Bundesräte Guy Parmelin und Ueli Maurer. Sie waren es, die das Ende der Gratis-Tests wollten – doch ausgerechnet die SVP-Fraktion fordert nun, die Tests so lange kostenfrei zu machen, wie die Zertifikatspflicht gilt.