Sondersession Desinfizieren für die Demokratie

SDA/tpfi

7.5.2020 - 00:00

Sie hatten wohl noch nie im Leben eine solche Bühne für ihre Arbeit: die Frauen und Männer des Reinigungsteams an der ausserordentlichen Session des eidgenössischen Parlaments in der Bernexpo in Bern. Sie leisten Akkordarbeit im öffentlichen Scheinwerferlicht.

Sie sind die heimlichen Stars einer in vielerlei Hinsicht aussergewöhnlichen Veranstaltung und stahlen den gewählten Volksvertreterinnen und -vertretern zuweilen die Schau. Einzelne wie der Obwaldner SVP-Nationalrat Peter Keller regten sich am ersten Sessionstag sogar richtiggehend auf über das «Corona-Schauspiel für die Öffentlichkeit».

Im Hintergrund reinigte derweil ein Mitarbeiter des Ressorts Reinigung des Bundesamtes für Bauten und Logistik (BBL) seelenruhig ein leeres Pult von den mikroskopischen Rückständen eines Vorredners und wechselte wie jedes Mal den Mikrofonschutz aus Plastik aus. Was sich die Mitarbeitenden der Putztruppe wohl denken? Nehmen sie die Voten wahr, geschweige denn zur Kenntnis?

«Wir machen einfach unsere Arbeit», sagt Ana Steko, seit vier Jahren Mitarbeiterin im BBL-Team der sogenannten Bundesmeile in Bern, vor einem Seiteneingang zum weitläufigen Nationalratssaal, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. In Sichtweite einer der beiden Tische, von wo aus sie und ihre speziell geschulten Reinigungsfachkräfte-Kollegen jeweils zu ihren Hygiene-Missionen aufbrechen auf das Podium mit den vier Rednerpulten und den Sitzen der Ratsoberen, um schon kurz darauf wieder zurückzukehren.

Die Umgebung sei für alle speziell, aber «ich habe nicht das Gefühl, dass ich zittern muss», sagte die auch in Arbeitskleidung herausgeputzt und gepflegt wirkende Frau. Immerhin ist das Reinigungspersonal nicht nur ständig im Blickfeld der Parlamentarier; auch wer die Debatten «extra muros» via Internet verfolgt, dem können die kaskadenhaften Auftritte der Putzkräfte an sehr prominenter Stelle nicht entgehen.

Ein Twitterer findet den regelmässigen Auftritt der «Desinfizierenden» sogar als «etwas vom spannendsten an der Corona-Sondersession». Sie machten spür- und sichtbar, dass es neben Politikern noch normale arbeitende Menschen gebe, findet er.

Keine Starallüren

«Ich fühle mich keineswegs wie ein Star», beteuert Ana Steko. Zumal ihr und ihren Kolleginnen und Kollegen von der BBL-Putzkolonne Berührungsängste mit den Volksvertretern fremd sind. Schliesslich sind die Putzfeen und -faune auch bei Normalbetrieb im Bundeshaus für die Hygiene zuständig und laufen dort den Damen und Herren National- und Ständeräte ständig irgendwo über den Weg.

Alle Mitarbeitenden, die im National- und Ständerat tätig sind, haben eine spezielle Covid-19-Schulung absolviert. Für die Tätigkeit in diesen heiligen Hallen der Demokratie ist zudem eine höhere Sicherheitsprüfung unabdingbar.

Das Ressort Reinigung des BBL hat 360 Mitarbeitende, die sich 173 Vollzeitstellen teilen, wie Mediensprecher Jonas Spirig auf Anfrage erklärte. Das BBL ist zuständig für die zivilen Verwaltungsgebäude des Bundes im Raum Bern.

In der Bernexpo arbeiteten sie in drei Schichten, erzählt Manda Stegmann, die Chefin von Ana Steko und deren Kolleginnen und Kollegen. Die eine oder andere Überstunde sei nicht zu vermeiden. Für «Notfälle» wie WC-Gänge seien kurzfristige Ablösungen sichergestellt.

Zahlreiche Komplimente

Ana Steko freut sich über zahlreiche Komplimente und Dankesbezeugungen der National- und Ständeräte für ihre ausnahmsweise einmal unübersehbare Arbeit. Ist doch nicht nur deren Sicherheit, sondern damit quasi auch deren Redefreiheit jeweils immer wieder porentief rein hergestellt, sobald sie an die Rednerpulte treten.

Während die Volksvertreter die Schweiz also mit viel Geld vor den Folgen der Corona-Krise zu retten versuchen, retten die für einmal sichtbaren unsichtbaren Helferinnen und Helfer die Volksretter ihrerseits möglicherweise vor einer persönlichen gesundheitlichen Corona-Krise.

Zum Schluss die Frage an Ana Steko, wo sie denn lieber arbeite, im Bundeshaus oder in der Beaexpo? «Zuhause ist halt immer zu Hause», meint sie vieldeutig. Frei übersetzt wohl etwa: zu Hause ist es halt immer am schönsten. Zu Hause ist für sie im Bundeshaus, zumindest, was die Arbeit angeht. Auch in ihrem privaten Zuhause hat sie es übrigens gern sauber. «Ich putze sehr gerne, fragen sie meinen Mann.»

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