Einkaufstourismus Deutschland will Schweizern das Shoppen verteuern

tali

25.4.2019

In Deutschland Lebensmittel einkaufen zu gehen könnte sich für Schweizer bald nicht mehr lohnen.
In Deutschland Lebensmittel einkaufen zu gehen könnte sich für Schweizer bald nicht mehr lohnen.
Keystone

Der deutsche Finanzminister hat genug von Schweizer Einkaufstouristen: Olaf Scholz denkt über die Einführung einer Mindestgrenze nach, ab der Schweizer die deutsche Mehrwertsteuer zurückerstattet bekommen.

In Deutschland den Wochenendeinkauf erledigen und sich dann beim Zollbeamten an der Grenze die deutsche Mehrwertsteuer zurückgeben lassen – für viele Schweizer, die in Grenznähe wohnen, ist das gang und gäbe. Doch die könnten demnächst auf ihren Quittungen sitzen bleiben, sofern der Betrag darauf nicht hoch genug ist: Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz prüft derzeit, ob eine Begatellgrenze für die Mehrwertsteuererstattung eingeführt werden sollte.

175 Euro müssten Schweizer dann künftig in Deutschland ausgeben, um einen Stempel auf dem sogenannten grünen Zettel zu erhalten – und zwar pro Geschäft! Der 100 Euro teure Einkauf aus dem Superfür liesse sich beim Zoll also nicht mit dem 75-Euro-Schnäppchen im Schuhladen kombinieren.

Viele Produkte 19 Prozent teuerer

Für Kleinstbeträge sollen Schweizer künftig keine Stempel mehr auf den grünen Zetteln erhalten, wenn es nach einigen deutschen Politikern geht.
Für Kleinstbeträge sollen Schweizer künftig keine Stempel mehr auf den grünen Zetteln erhalten, wenn es nach einigen deutschen Politikern geht.
Keystone

Während die Mehrwertsteuer hierzulande maximal 7,7 Prozent beträgt, liegt die allgemeine Mehrwertsteuer in Deutschland bei 19 Prozent an. Die gilt etwa für Kleidung, Medikamente, Getränke oder Drogerieartikel. Nur für bestimmte Produkte, wie Lebensmittel oder Bücher, gilt der ermässigte Steuersatz von sieben Prozent.

Der «Badischen Zeitung» zufolge wurden allein im Zuständigkeitsbereich des Hauptzollamtes Lörrach im Jahr 2017 6,3 Millionen «grüne Zettel» von 130 Zollbeamten gestempelt. Andernorts sind es noch mehr: «Im Hauptzollamt Singen werden 10,2 Millionen solcher Ausfuhrbescheinigungen abgestempelt, das sind 33'800 pro Tag», rechnete der Lörracher FDP-Abgeordnete Dr. Christoph Hoffmann jüngst im Deutschen Bundestag vor.

Dabei stört ihn nicht nur der «Bürokratiewahnsinn»: «Die ganzen Verkehrsströme sind beeinträchtigt, weil sich jeder Schweizer, der für fünf Euro in Deutschland einkauft, die Mehrwertsteuer zurückerstatten lassen kann.»

Politiker uneins

Während er sich für die Einführung einer – allerdings niedrigeren – Bagatellgrenze stark macht, hält sein CDU-Kollege Armin Schuster dagegen. Er glaubt, dass eine Bagatellegrenze, wie es sie in Frankreich (175 Euro), Italien (155 Euro), Österreich (75 Euro) schon gibt, der deutschen Wirtschaft schade. Professor Tilman Slembeck, der an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften lehrt, sieht das ähnlich: «Der Bagatellbetrag macht den Einkaufstourismus unattraktiver», zitiert ihn «20 Minuten». «Viele dieser Konsumenten werden dann nicht mehr nach Deutschland gehen oder beginnen, seltener und dafür mehr auf einmal einzukaufen».

Der Rechnungsprüfungsausschuss der deutschen Regierung, die dem Finanzministerium den Auftrag erteilte, fordert die Einführung einer solchen Bagatellgrenze bereits zum dritten Mal. Scholz' Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) hatte in den vorherigen Fällen seine Absage erteilt. Ein automatisiertes Verfahren sollte stattdessen die Zollbeamten entlasten. Die Entwicklung der notwendigen Technik erwies sich aber als teurer und aufwändiger als erwartet.

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