Frauen diskutieren bei der Debatte um die Burka-Initiative intensiv mit. Auffällig: Feministische Argumente stehen im Vordergrund – und das auf beiden Seiten.
Die Burka scheidet die Geister der Feministinnen. Frauen, die noch vor Kurzem anlässlich des Frauenstreiks für Frauenrechte nebeneinander eingestanden sind, stehen sich in der jetzigen Debatte gegenüber.
Die Befürworterinnen des Burkaverbots sehen die Vollverschleierung als Symbol für die Unterdrückung der Frau.
Gegen das Burkaverbot stellt sich «Alliance F», der grösste Frauendachverband, sowie die «SP Frauen». Ihr Argument: Beim Burkaverbot handle es sich um eine Kleidervorschrift, welche die Frauen bevormunde.
Anders sieht das Nationalrätin Marianne Binder (Mitte/AG). Sie hat sich mit anderen Frauen, darunter Schriftstellerinnen und auch die umstrittene Islamwissenschaftlerin Saïda Keller-Messahli zur überparteilichen Gruppe «Frauenrechte Ja» zusammengeschlossen. Für sie alle ist die Burka mehr als ein Kleidungsstück: «Die Vollverschleierung ist Kleiderzwang. Sie ist eine Zwangskleidung wie kein anderes, das Gegenteil von Freiheit», sagt Binder.
Ein Ja für das Burkaverbot sei darum vor allem eine klare Ansage gegen die fundamentalistische Ideologie und das Frauenbild, das hinter dem Kleidungsstück stehe. «Während in totalitären Staaten Frauen ihr Leben riskieren im Kampf gegen die diskriminierende Verhüllung, erhöhen wir diese im freien Rechtsstaat zum Ausdruck der Selbstbestimmtheit.» Das ist für sie ein Affront.
«Ein Zwang durch einen anderen ersetzen»
«Dieser Vergleich hinkt», sagt dagegen Ronahi Yener, Präsidentin der Juso des Kanton Zug, die selber einen muslimischen Hintergrund hat. Die Frauen, die sich in jenen totalitären Staaten gegen die Verhüllung wehrten, würden dies gerade aus Protest gegen staatliche Kleidervorschriften tun. «Die Schweiz tut es mit dem Burkaverbot den totalitären Regierungen ja gleich. Sie schreibt den Frauen vor, was sie zu tragen haben und was nicht.»
Yener negiert zwar nicht, dass es auch in der Schweiz Frauen gebe, die unter Zwang eine Burka trügen. «Mit dem Burkaverbot würde man jedoch einen Zwang durch einen anderen Zwang ersetzen», so Yener. Dies würde den Frauen nicht helfen. Sie spricht sich für den Ausbau von Anlaufstellen für Betroffene aus.
«Gesellschaftlicher Wandel» und «Rebellion»
Von dieser Argumentation zeigt sich Binder überrascht. Sie verweist in einem Tweet auf ein zehn Jahre altes Communiqué der SP: Darin wird die Burka als ein «Gefängnis aus Stoff» bezeichnet. Auch die Alliance F hat einen ähnlichen Wandel in ihrer Argumentation erlebt: So sprach sich 2010 deren damalige Präsidentin, CVP-Nationalrätin Rosmarie Zapfl, noch für ein Burkaverbot aus.
Was hat sich seither verändert? «Es hat einen gesellschaftlichen Wandel gegeben», sagt Kathrin Bertschy, Co-Präsidentin von Alliance F. Vor zehn Jahren hätten vor allem ältere Frauen die Vollverschleierung getragen – nun seien es Junge. «Ein Akt der Rebellion» nennt es Bertschy – auch als Reaktion auf das Burkaverbot, das vor rund zehn Jahren in Frankreich erlassen wurde.
Darum sei die Situation der Burkaträgerinnen heutzutage ganz anders gelagert: «Damals ging es vor allem um Frauen, die geschützt werden mussten, heute überwiegt das Interesse am Selbstbestimmungsrecht.»
«Hetze gegen eine Minderheit»
Als weiteren Grund für das «Nein» der «Alliance F» nennt Bertschy die Absender der Initiative, das Egerkinger Komitee. «Es wird unter dem Deckmantel des Feminismus eine Hetze gegen eine Minderheit getrieben», so Bertschy. Marianne Binder lässt dieses Argument nicht gelten: «Die Abstimmungsfrage heisst Verhüllung Ja oder Nein, nicht Egerkinger Komitee Ja oder Nein», entgegnet die Aargauerin.
Bleibt die Frage: Schafft es die Burka-Initiative, die Feministinnen nachhaltig zu spalten? Bertschy verneint. «Es handelt sich ja nicht um eine Gleichstellungsinitiative.»
Marianne Binder betont, wie wichtig die Debatte zu diesem Thema sei. Dem Abstimmungsresultat sieht sie gelassen entgegen, doch nachher fordert sie eines: «Frauen, wir müssen reden.»