Dritter Corona-Winter Die Pandemie ist vorbei, aber die Schweiz sollte wachsam bleiben

Von Andreas Fischer

27.12.2022

Wissenschaftlerin Tanja Stadler erwartet keine grossen Corona-Wellen mehr, mahnt aber Wachsamkeit an.
Wissenschaftlerin Tanja Stadler erwartet keine grossen Corona-Wellen mehr, mahnt aber Wachsamkeit an.
KEYSTONE/PETER SCHNEIDER

Das Coronavirus kommt in der Schweizer Bevölkerung kaum noch durch. Aber auch wenn die Pandemie für beendet erklärt wird: Ganz ohne Sorgen ist die Wissenschaft nicht, wie Expertin Tanja Stadler erläutert.

Von Andreas Fischer

27.12.2022

Von China einmal abgesehen, ist die Corona-Pandemie vorbei. Davon gehen immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus. In Deutschland etwa sagte der bekannte Virologe Christian Drosten in einem Interview mit dem «Tagesspiegel»: «Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-CoV-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei.»

Ähnlich äussert sich nun die Corona-Expertin Tanja Stadler von der ETH Zürich im «Tages-Anzeiger»: «Die Zeit der extrem grossen Omikron-Wellen scheint vorbei. Das Virus schafft es nicht mehr wie Anfang 2022, innerhalb kurzer Zeit 80 Prozent der Bevölkerung zu infizieren.»

Umfrage
Fürchtest du dich noch vor einer Ansteckung mit Corona?

Für China wird's schwierig

Stadler, die als Präsidentin die wissenschaftliche Covid-Taskforce des Bundes geleitet hat und seit November einem neuen Beratergremium vorsteht, schränkt allerdings ein, dass es «Definitionssache» sei, ob man bereits von einer «endemischen Phase» sprechen könne: «Wenn wir sagen, nur 10 bis 25 Prozent stecken sich an, dann ist das immer noch eine grosse Welle.» Dennoch: In der Schweiz schient die Gefahr einer weiteren grossen Corona-Welle vorerst gebannt.

Anders sehe es in China aus, sagt die Mathematikerin und Biostatistikerin. «Die kommenden Monate werden für China sehr schwierig.» Dort seien die Menschen aufgrund der bisherigen Corona-Politik sowie der tiefen Durchimpfungsrate «sehr empfänglich für das Virus». Nach offiziell unbestätigten Schätzungen haben sich in den ersten drei Dezemberwochen 248 Millionen Menschen oder 18 Prozent der chinesischen Bevölkerung mit Corona infiziert.

Einige Wissenschaftler*innen warnen davor, dass sich in dieser Gemengenlage neue, gefährliche Mutationen von Sars-CoV-2 bilden könnten. Stadler aber erwartet keine Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen hierzulande. «Ich schätze daher das Risiko als nicht sehr hoch ein, dass in den nächsten Monaten in China eine völlig neue Variante entstehen könnte, welche die bestehende Immunität der Bevölkerung in Europa umgehen kann.»

Den Überblick behalten

Dies liege daran, dass das Virus in China sehr frei mutieren könne. «Es werden nicht speziell Viren selektiert, die einer schon vorhandenen Immunabwehr entfliehen», erklärt die Wissenschaftlerin. Stadler findet es dennoch «sehr wichtig, dass wir bei Sars-CoV-2 einigermassen den Überblick haben, was passiert. Dann können wir uns vorbereiten, wenn zum Beispiel eine neue Variante kommt.» Die Abwasserüberwachung oder die Sequenzierung von Proben sei daher weiterhin angezeigt.

Vollständige Entwarnung will Stadler also nicht geben. Man müsse etwa bedenken, «dass es auch nach einer Reinfektion zu Long Covid kommen kann». Persönlich trage sie überall dort eine Schutzmaske, «wo ich in Innenräumen potenziell mit vielen Leuten eng zusammenkomme, also im ÖV oder beim Einkaufen». Wichtig sei aber, «dass die Menschen ihr Risiko kennen und dann selbst entscheiden, ob und wie sie sich schützen wollen».

Wie sich die Menschen in China mit Covid arrangieren (müssen)

Wie sich die Menschen in China mit Covid arrangieren (müssen)

Derzeit infiziert das Coronavirus in China Millionen Menschen, weitgehend unkontrolliert. Doch zumindest in den grösseren Städten scheint man sich mit Covid-19 zu arrangieren.

27.12.2022