Gewerkschafterin «Die Swiss-Belegschaft hat die Grenze des Erträglichen erreicht»

Von Alex Rudolf

7.6.2022

Die Swiss-Flüge am ersten Tag der Wiederaufnahme der Reisen in die USA sind sehr gut gebucht gewesen. Insgesamt hat die Fluggesellschaft knapp 1'800 Passagiere befördert. (Archivbild)
Die Swiss-Flüge am ersten Tag der Wiederaufnahme der Reisen in die USA sind sehr gut gebucht gewesen. Insgesamt hat die Fluggesellschaft knapp 1'800 Passagiere befördert. (Archivbild)
Bild: Keystone/Christian Beutler

Weil die Swiss seit Corona viele Angestellte entlassen hat, kann sie das jetzige Passagieraufkommen nicht bewältigen. Flüge werden gestrichen, das verbleibende Personal ist erschöpft.

Von Alex Rudolf

7.6.2022

Die Swiss streicht rund 100 Flüge im Juli und August. Davon sind rund 30'000 Passagiere betroffen. Wie der «Blick» schreibt, ist der Grund für die Streichungen akute Personalnot. 

Noch im vergangenen Jahr hatte die Fluggesellschaft Hunderte Personen entlassen, weil die Corona-Pandemie das Geschäft praktisch zum Erliegen brachte. Im Gespräch mit blue News erklärt die oberste Gewerkschafterin des Kabinenpersonals, Sandrine Nikolic-Fuss, was sie den Managern rät.

Frau Nicolic-Fuss, hat die Swiss das Personal im vergangenen Jahr zu früh entlassen?

Je, definitiv. Wir von der Gewerkschaft Kapers hatten während der Konsultation im Rahmen der Entlassungen vom vergangenen Jahr genau vor diesem Szenario gewarnt. Bereits nach dem Grounding 2001 und später auch 2005 herrschte wenige Monate nach Grossentlassungen Personalnot. Zu erkennen, dass sich dies wiederholt, ist keine Zauberei.

Wie wird die Swiss nun vorgehen?

Gleich wie bei der letzten grösseren Entlassung. Im Rahmen der Konsultation wurde den Gekündigten zugesichert, prioritär eingestellt zu werden, wenn die Swiss neues Personal sucht. Dies hat sie getan und von rund 60 Prozent der Entlassenen eine Zusage bekommen. Dies entspricht einer Rückkehr von 144 Leuten. Rund 60 Personen fanden zuvor bei der Edelweiss wieder eine Anstellung.

Sandrine Nikolic-Fuss, Präsidentin von Capers, der Cabin Crew Union.
Sandrine Nikolic-Fuss, Präsidentin von Capers, der Cabin Crew Union.
zVg

Wird dies zur Behebung der Engpässe ausreichen?

Definitiv nicht. Denn die natürliche Fluktuation in diesem Beruf ist schon sehr hoch. Nun, da das Fluggeschäft wieder mit voller Wucht zurückkehrt, sind die Arbeitsbedingungen noch härter geworden. Die Flughäfen sind voll und die Attraktivität des Berufs sinkt stetig. 

Warum?

Flugbegleiter*innen sind im Tieflohnsegment. Was dies früher aufgewogen hat, waren mehrere Tage an schönen Destinationen verbringen zu können. Heute gibt es dies nicht mehr – auch wegen Corona. Darüber hinaus sind Gäste oft gestresst und somit anstrengend.

Swiss-Angestellte begannen während der Arbeit einen Zitronen-Pin zu tragen, um zu zeigen, wie sehr sie ausgepresst werden.

Genau. Seit der Massenentlassung im vergangenen Jahr wurden die Bedingungen nochmals schlechter. Die ganzen Prozesse, bis die Passagiere nur schon im Flugzeug sind, und natürlich das Maskentragen machten den Job anstrengender. Hinzu kamen fehlerhafte Systeme zur Aufnahme von Bestellungen und natürlich: das Impfobligatorium.

Was erhoffen Sie sich vom Swiss-Management?

(lacht) Erhoffen ist wohl das falsche Wort. Ich erhoffe mir gar nichts, da ich weiss, in welcher Verfassung die Flugbranche steckt. Die Liberalisierung mit seinem Lohndumping ist für alle schwierig.

Was empfehlen Sie dem Management?

Die Belegschaft hat die Grenze des Erträglichen erreicht. Das Management sollte einen fairen Lohn ausbezahlen und korrekte Arbeitsbedingungen erlassen. So könnte man wieder von Premium-Airline sprechen und als Schweizer*in stolz sein, eine solche Fluggesellschaft zu haben.