Ein Geimpfter und eine Ungeimpfte blicken zurück «Diese Aggressivität geht mir auf die Nerven»

Von Alex Rudolf

21.2.2022

Keine Maske und kein Zertifikat mehr im Restaurant: Der Bundesrat liess die meisten Corona-Massnahmen fallen. (Archivbild)
Keine Maske und kein Zertifikat mehr im Restaurant: Der Bundesrat liess die meisten Corona-Massnahmen fallen. (Archivbild)
Bild: Keystone/dpa/Sebastian Willnow

Ein geimpfter Buschauffeur und eine ungeimpfte Service-Angestellte erzählen, was sie von den Lockerungen halten und wie sie die beiden vergangenen Jahre erlebt haben.

Von Alex Rudolf

Er, Buschauffeur, 58-jährig, geimpft, geboostert, aus Freiburg, und sie, Service-Angestellte, 38 Jahre alt, ungeimpft, aus St. Gallen, erlebten die beiden Pandemiejahre völlig unterschiedlich. Nun, da das vermeintliche Ende gekommen ist, haben beide die Hoffnung auf gemächlichere Zeiten.

Seit dieser Woche braucht es unter anderem für Restaurant- und Kinobesuche weder Zertifikat noch Maske. Einzig im ÖV und in Gesundheitseinrichtungen muss man den Atemschutz noch aufsetzen. Buschauffeur*innen sind aktuell also noch besser geschützt, als es beispielsweise Servierpersonal ist.

«Ich bin froh, dass die Maskenpflicht im ÖV noch bis Ende März gilt. Als Gewerkschafter hat die Sicherheit der Buschauffeure oberste Priorität», sagt Fritz Haenni. Schliesslich sei man in einem kleinen, geschlossenen Raum, was eine Übertragung des Coronavirus begünstige.

Auch Monika N.* ist erfreut über die Lockerungen. «Bei uns im Restaurant spürt man die Gäste wieder besser, wenn man sich ins Gesicht schauen kann», sagt sie. Es sei eine grosse Erleichterung.

Das Privatleben

Dass er nun kein Zertifikat mehr vorweisen muss, wenn er ins Restaurant oder ins Kino geht, spielt für Haenni keine grosse Rolle. Da er früh geimpft und anschliessend geboostert war, blieben ihm keine Türen versperrt.

Fritz Haenni ist froh, dass sich die aufgeheizte Stimmung allmählich legt.
Fritz Haenni ist froh, dass sich die aufgeheizte Stimmung allmählich legt.
Bild: zVG

Anders sieht es bei Monika aus. Sie habe vor der Impfung grössere Angst gehabt als vor Covid. Daher entschied sie sich gegen den Piks. «Ich habe mein Privatleben der Situation angepasst und meine Freunde eher zu Hause oder im Freien getroffen», sagt sie. 

«Dass ich nun wieder ohne mühsame Testung vorher ins Kino oder ins Restaurant kann, ist wirklich eine grosse Erleichterung.»

Die Arbeit

Ist es unfair, dass Buschauffeure vorerst besser geschützt sind als Menschen, die im Detailhandel oder im Service arbeiten? «Vielleicht ist es ein wenig unfair», sagt Haenni. Dennoch seien die Räumlichkeiten in Restaurants und in Läden in der Regel grösser als der Innenraum eines Busses. «Man kann sich besser aus dem Weg gehen.»

Hat Monika nun Angst, sie könnte sich doch noch mit dem Virus anstecken? «Nein», sagt sie. Es könne nicht sein, in ständiger Angst leben zu müssen.

Die anderen

«Ich bin tolerant und habe mit Ungeimpften keine Probleme», sagt Haenni. Aber er sei schon froh, dass die Spannungen zwischen Ungeimpften und Geimpften nun abschwellen könnten: «Diese uhuere Aggressivität geht mir auf die Nerven.»

Von der Lockerung der Massnahmen erhofft sich auch Monika eine Entspannung der Gemüter. «Es gab hin und wieder Menschen, die mich wegen meiner Entscheidung gegen die Impfung verurteilt haben – das wurde zum Problem.» So habe sie den Umgang mit diesen Personen vermieden. «Ich wollte nicht die Schuld für das Weltgeschehen auf mich nehmen.»

Die Schwächeren

Dass es zahlreiche Menschen gibt, die sich nicht über die Lockerungen freuen, liegt auf der Hand. Personen mit schwachem Immunsystem oder Krankheiten, die eine Impfung nicht erlauben, fühlen sich noch immer vom Virus bedroht.

«Um diese Personen zu schützen, hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn wir die Maske noch ein paar Wochen länger hätten tragen müssen», sagt Haenni. Dennoch hält er die vom Bundesrat umgesetzte Lösung für einen guten Mittelweg.

Auch Monika tun die Menschen leid, die besonders gefährdet sind. Dennoch: «Man findet nie einen Weg, der für alle stimmt. Jeder ist schliesslich für seine eigene Gesundheit verantwortlich», sagt sie, hält einen Moment inne und fügt an: «Wäre ich Risikopatientin, würde ich nun wohl eine andere Meinung vertreten.»

*Name der Redaktion bekannt

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