Experte zu Plänen der SP-Spitze «Ein Partei-Parlament kann Aufmerksamkeit erzeugen» 

Von Tobias Bühlmann

17.5.2021

Ein Parlament soll bei der SP die bisherigen Delegiertenversammlungen ablösen.
Ein Parlament soll bei der SP die bisherigen Delegiertenversammlungen ablösen.
Keystone/Peter Klaunzer

Mehr Mitsprache und Macht für die Basis: Die SP denkt über ein Partei-internes Parlament nach. Eine gute Idee, findet ein Parteienforscher – schliesslich liesse sich so gerade der Nachwuchs wieder mehr begeistern.

Von Tobias Bühlmann

17.5.2021

Die SP-Leitung will, dass die Basis mehr zu sagen hat zur Ausrichtung der Partei. Dazu wirft die Doppelspitze aus Mattea Meyer und Cedric Wermuth die Idee eines eigenen Parlaments in die Runde. Dort soll künftig um die Positionen der Partei gerungen werden. Das Präsidium will damit erklärtermassen auch Macht abgeben, wie in der «NZZ am Sonntag» zu lesen war(Artikel kostenpflichtig).

Die Idee eines solchen Parlaments stösst bei Andreas Ladner auf Interesse. Der Professor für Verwaltung und politische Institution an der Universität Lausanne befasst sich seit langem mit dem Innenleben der Schweizer Parteien. «Es ist ein Versuch, mehr Dynamik und Partizipation in die Partei zu bringen, ihr einen Bewegungscharakter zu geben», erklärt der Parteienforscher. Denn die Parteien kämpften damit, dass ihre früheren Strukturen nicht mehr dieselbe Breitenwirkung hätten.

Was das angedachte Parlament der SP für eine Wirkung hat, sei eine andere Frage. «Es hat attraktive Punkte, indem man gewisse Themen sichtbar machen und Aufmerksamkeit generieren kann.» Aber natürlich bringe die Idee auch Gefahren mit sich: Wenn dann ständig gestritten werde oder immer die gleichen gewännen, sinke bald einmal die Attraktivität mitzumachen. Und dann stelle sich natürlich die Frage, wie man diejenigen auswählt, die Einsitz nehmen sollen.

Auch für ein SP-Parlament gäbe es unantastbare Themen

Ein parteiinternes Parlament könnte den Sozialdemokraten auch helfen, die Flügelkämpfe in der Partei besser zu kanalisieren. Die Kämpfe selber seien nämlich nicht schlecht für die Partei, sagt der Parteienforscher. «Schwieriger ist, dass die heutigen Polit-Aktionen ausserhalb der Parteien stattfinden, sich etwa ins Internet verlagern.» Da sei es gut, wenn Diskussionen um einzelne Themen in einem organisierten Rahmen innerhalb der Partei stattfänden. So könne man Dynamik erzeugen und die Leute in Bewegung setzen.

Trotzdem sollte man nicht glauben, dass ein SP-Parlament dereinst völlige Freiheit hat. «Die SP hat einige politische Positionen, die nicht verhandelbar sind», sagt Ladner. Dazu gehörten etwa das Thema Solidarität, die Forderung nach einer gleicheren Verteilung oder Frauen-Aspekte. Als die heutige Bundesrätin Simonetta Sommaruga ihr Gurten-Manifest präsentierte, fanden viele, es gehe zu weit, wenn man offen über eine Beschränkung der Zuwanderung nachdenkt.

Eine Chance auch für andere Parteien?

Auch wenn nicht alle Positionen zur Debatte stehen, sieht Ladner im Parlament für die SP eine Chance, neue Kreise anzusprechen. Denn es gebe ein Potenzial an jungen Leuten, die sich engagieren wollen und die sich früher für eine JuSo begeistern liessen. «Damit kann man vielleicht etwas bieten, das über den Partei-Mief der Delegierten-Versammlung hinausgeht.»

Wäre die Idee des Parlaments in dem Fall auch für eine FDP interessant, die gegen den eigenen Niedergang ankämpft(Artikel kostenpflichtig)? Ladner winkt ab: Die FDP könne durchaus versuchen, eine solche Debatte zu führen. Doch sie sei eher eine Werte- denn eine Programmpartei, ein solches Parlament brächte ihr aus Sicht des Forschers darum weniger.

Aber aus medialer Sicht sei so ein Parlament für eine Partei sicherlich attraktiv. Denn damit könne man auch Konflikte zeigen. «An so einer Session gibt es Sprecher, die auftreten, da gibt es Zitate, über die die Medien berichten können.» Nur stelle sich die Frage, ob das das Publikum ausserhalb der eigenen Partei auch tatsächlich interessiere und berühre – und ob dieses Interesse anhält.