Sozialversicherungen Erben müssen bald Ergänzungsleistungen zurückzahlen

tjb

15.10.2019

Da bleibt unter Umständen nicht viel übrig von der Erbschaft: Ab 2021 bittet der Staat Erben zur Kasse, um Ergänzungsleistungen der Verstorbenen zurückzuerstatten.
Da bleibt unter Umständen nicht viel übrig von der Erbschaft: Ab 2021 bittet der Staat Erben zur Kasse, um Ergänzungsleistungen der Verstorbenen zurückzuerstatten.
Keystone/MARTIN RUETSCHI

Bei AHV und IV ändern sich bald die Regeln: Ab 2021 müssen Erben bezogene Ergänzungsleistungen unter gewissen Bedingungen aus dem Nachlass zurückzahlen. So will der Bund den Kostenanstieg in dem Bereich bremsen.

Wer in der Schweiz von seiner Rente nicht leben kann, erhält Ergänzungsleistungen (EL). Diese sichern das Existenzminimum, wenn die AVH/IV-Rente und allfällige Pensionskassenbezüge dazu nicht ausreichen. Der Anspruch auf die Leistungen ist im Gesetz verankert.

Erben müssen Leistungen zurückzahlen

Das Gesetz schreibt aber auch vor, dass zuerst ein allfällig vorhandenes Vermögen aufgebraucht werden muss. Dabei gibt es einen Freibetrag von 37'500 Franken für Alleinstehende und 60'000 Franken für Ehepaare. Höher ist der Freibetrag für Besitzer von Wohneigentum: Dort liegt der Freibetrag bei 112'500 Franken, unter gewissen Bedingungen sogar bei 300'000 Franken. So sollen EL-Bezüger eher in ihren eigenen vier Wänden bleiben können.

Hier setzt eine Gesetzesänderung an, die das Parlament im März beschlossen hat: Sterben Haus- oder Wohnungsbesitzer, müssen die Hinterbliebenen bezogene Ergänzungsleistungen bald aus der Erbmasse zurückbezahlen, wie die SRF-Sendung «10vor10» berichtet. Der Staat holt sich alles, was den Freibetrag von 40'000 Franken übersteigt, wieder zurück – bei Paaren allerdings erst, wenn beide Ehepartner verstorben sind. Das dürfte dazu führen, dass sich etliche Erben zu einem Verkauf des Hauses oder der Wohnung gezwungen sehen.

Experten sprechen von «Enteignung»

Der Schritt zur Rückzahlung sei bemerkenswert, denn damit würden erstmals eine rechtmässig bezogene Sozialversicherungsleistung des Bundes rückerstattungspflichtig, wie Rechtsexperten zu «10vor10» sagen. Hardy Landolt, Titularprofessor für Sozialversicherungsrecht an der Universität St. Gallen, geht sogar so weit, von einer teilweisen Abschaffung des Erbrechts zu sprechen. Die Rückerstattungspflicht sieht er als eigentliche «Enteignung».

Der Hintergrund der Gesetzesänderung ist die stetige Zunahme bei den ausbezahlten Ergänzungsleistungen. Die Kosten dafür haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten mehr als verdoppelt und liegen unterdessen bei rund fünf Milliarden Franken. Die neue Rückerstattungspflicht soll dem Bund rund 150 Millionen Franken davon zurückbringen.

Eingebracht wurde die Änderung von CVP-Nationalrätin Ruth Humbel. Zu SRF sagt sie, dass es kein Menschenrecht auf eine Erbschaft gebe – und wer Vermögen habe, sei nicht in seiner Existenz gefährdet, was laut Gesetz die Bedingung ist für Ergänzungsleistungen. Humbel sagt weiter, dass ohne eine Rückerstattung letztlich die Erben durch Steuergelder subventioniert würden.

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